Test im neuen Autotunnel:Zündeln im Untergrund

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Bevor der neue Autotunnel unter dem Luise-Kiesselbach-Platz Ende Juli eröffnet wird, lässt die Stadt den Brandschutz testen. Eine Spezialfirma aus Aachen inszeniert dazu gleich an mehreren Stellen ein regelrechtes Feuerszenario

Von Marco Völklein

Rauch, überall ist Rauch. Die Flammen aus dem Auto steigen meterhoch, bis kurz unter die Tunneldecke. "Achtung", meldet sich eine Frauenstimme aus den Lautsprechern an der Decke: "Feuer im Tunnel! Grüne Notausgänge benutzen! Lebensgefahr! Verlassen Sie den Tunnel!" Würde jetzt ein Autofahrer in der neuen Röhre unter der Garmischer Straße in einem Stau stehen und gerade Radio hören, würde eine ähnliche Durchsage auch aus dem Autoradio zu hören sein. Und er sollte schleunigst zusehen, dass er über einen der Notausgänge oder eines der Tunnelportale nach draußen kommt.

Mittendrin in dem vielen Qualm, direkt neben den hochschießenden Flammen steht Johann Wittmann. Und ist zufrieden.

Es läuft also alles so, wie es laufen sollte. Das Feuer wurde erkannt, die Zufahrten zum Tunnel gesperrt, die Feuerwehr benachrichtigt. Und die Autofahrer gewarnt. Wittmanns Alarmplan hat funktioniert.

Zwei Tage lang testet das Baureferat die Brandschutzeinrichtungen in dem neuen Tunnel unter der Garmischer Straße, unter dem Luise-Kiesselbach-Platz und unter der Heckenstallerstraße. Insgesamt sechs Mal lassen Wittmann und seine Ingenieure vom städtischen Baureferat eine Spezialfirma aus Aachen in der neuen Röhre zündeln. Testleiter Bernd Konrath und seine Leute fahren dazu ein mittlerweile schon recht angekokeltes Auto, in dem zahlreiche Propangasbrenner installiert sind, an verschiedene Stellen in der neuen Röhre. Immer wieder zünden sie die Brenner. Bis zu 1000 Grad Hitze entstehen so.

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(Foto: Robert Haas)

Keine drei Meter mehr sieht man, wenn das Feuer mal so richtig loslegt - und sich der Qualm in der Tunnelröhre ausbreitet.

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(Foto: Robert Haas)

Bis zu 1000 Grad heiß wird das Feuer, das die Spezialisten in der Autoröhre entzünden.

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(Foto: Robert Haas)

In dem Testfahrzeug glimmen die Propangasbrenner vor sich hin.

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(Foto: Robert Haas)

Der Qualm wird aus einem medizinischen Spezialöl erzeugt, der einem zwar die Sicht nimmt, aber lange nicht so giftig ist wie echter Rauch.

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(Foto: Robert Haas)

Auch wenn der Tunnel unter der Garmischer Straße schon recht fertig aussieht,...

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(Foto: Robert Haas)

...die Techniker des Baureferats müssen noch ausgiebig testen: Die sechs Tests laufen ingesamt zwei Tage lang.

Außerdem wird Qualm erzeugt aus einem medizinischen Spezialöl, der einem zwar die Sicht nimmt, so wie richtiger Rauch auch. Der aber lange nicht so giftig ist wie der Qualm, der entsteht, wenn sich zum Beispiel Benzin oder Diesel entzündet. Das hat zwei Vorteile: Techniker und Ingenieure können während des Brandversuchs im Tunnel bleiben. Und: Die Röhre wird nicht verrußt. "Wir wollen den Münchner ja einen sauberen Tunnel übergeben", sagt Bauleiter Wittmann.

Voraussichtlich Ende Juli sollen die ersten Autos durch das fast 400 Millionen Euro teure Bauwerk rauschen. Wer jetzt schon die Gelegenheit hat und in den Untergrund abtaucht, der sieht dort bereits einen nahezu fertigen Autotunnel: Die Fahrbahnmarkierungen sind aufgepinselt, die Beleuchtung strahlt von der Decke, die elektronischen Verkehrszeichen an den Tunnelwänden schreiben Tempo 30 vor. Eigentlich, so meint man, könnten jetzt bereits Autos und Laster durch den neuen Tunnel im Münchner Südwesten fahren.

Bernd Konrad leitet den Brandtest. (Foto: Robert Haas)

Doch noch ist es nicht so weit. Die Techniker des Baureferats müssen erst ausgiebig testen. Klappt alles mit der Betriebssteuerung? Laufen alle Anlagen? Übertragen die zahlreichen Überwachungskameras ihre Bilder in die Verkehrsleitstelle der Stadt in der Schragenhofstraße in Moosach? Und vor allem: Funktionieren die Anlagen zum Brandschutz in dem gut zweieinhalb Kilometer langen Tunnelbauwerk?

An der Tunneldecke haben die Techniker Brandsensoren installiert. Außerdem gibt es alle 60 Meter Überwachungskameras mit integrierten Rauchdetektoren. Diese Anlagen sollen bei einem Brand im Tunnel Alarm schlagen in der Zentrale der städtischen Verkehrsüberwacher in Moosach. Automatisch müssen dann unter anderem an den Tunnelportalen die Ampeln auf Rot springen und die Schranken runtergehen. Zudem wird die Feuerwehr alarmiert, die Notfalldurchsagen über die Lautsprecher und im Autoradio werden abgespielt, an den Notausgängen beginnen grüne Lichter zu blinken. Außerdem springen die großen Lüfter an der Decke an, die den Qualm aus dem Tunnel herausblasen sollen.

Und auch die parallel verlaufende Autoröhre wird gesperrt, durch die normalerweise der Verkehr in die Gegenrichtung rauscht. Dort laufen dann weitere Hochleistungslüfter an, die in dieser Röhre einen Überdruck erzeugen sollen - damit sich die Menschen aus der Tunnelhälfte, in der es brennt und qualmt, über die grün markierten Fluchttüren in der Mittelwand in genau den Tunnelteil retten können, der nicht vom Feuer betroffen und somit frei von Rauch ist. Alle 60 Meter haben Wittmann und seine Leute solche Fluchttüren in der Mittelwand eingebaut. Seitlich führen außerdem alle 350 Meter Fluchttreppenhäuser an die Oberfläche ins Freie.

Eine ganze Menge Technik also, die im Notfall Leben retten soll. Alle Systeme müssen funktionieren. Ob sie das im Ernstfall auch wirklich tun, das prüfen Wittmann und Testleiter Konrath an den beiden Tagen. Mitunter bekommen davon auch die Anwohner und Autofahrer an der Oberfläche etwas mit: Denn wenn die Lüfter den Rauch aus der Autoröhre blasen, kann es sein, dass dicke Wolken aus den Tunnelportalen qualmen. Mit Wurfzetteln habe man die Anwohner in den vergangenen Tagen bereits gewarnt, sagt Wittmann. Zudem wüssten Polizei und Feuerwehr Bescheid, dass die Fachleute aus Aachen derzeit im Münchner Untergrund Feuer machen.

© SZ vom 06.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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