Taxiräuber vor Gericht:Drei Schüsse in der Nacht

Lesezeit: 2 min

"Kann sein, dass ich vor Schreck abgedrückt habe": Vor fast 17 Jahren soll er einen Münchner Taxifahrer bei einem Raubüberfall durch einen Schuss schwer verletzt haben. Seit diesem Montag steht der 46-jährige Dieter S. nun vor Gericht.

Christian Rost

Vor fast 17 Jahren ist ein Münchner Taxifahrer bei einem Raubüberfall durch einen Schuss schwer verletzt worden. Seit diesem Montag muss sich der mutmaßliche Täter wegen versuchten Mordes vor dem Münchner Schwurgericht verantworten. Der heute 46-jährige Dieter S. gestand den Überfall und bedauerte, die Waffe auf den Taxifahrer gerichtet zu haben. Der Schuss habe sich versehentlich gelöst, sagte der Angeklagte. "Es tut mir so leid. Ich hätte niemals bewusst auf einen Menschen geschossen."

Dieter S. ist ein bedächtiger Mensch. Er lässt sich nicht drängen, macht immer wieder Pausen, wenn er aus seinem Leben berichtet. Diese geordnete Art des Erzählens steht in krassem Gegensatz zur Tat vom 12. Juni 1995. An jenem Sonntag kurz nach Mitternacht stieg S. am Alten Peter in ein Taxi, ließ sich nach Steinhausen fahren und zog, als der Wagen an einem Feldweg hielt, eine Pistole der Marke Dreyse, Model 1907, aus einer Plastiktüte.

Der Angeklagte habe dem 50-jährigen Fahrer die Waffe an die rechte Niere gehalten und sofort abgedrückt, sagt Staatsanwältin Elisabeth Ehrl. Das Opfer erlitt einen Steckschuss mit Lendenwirbelfraktur und fuhr nach dem Überfall nie wieder Taxi. Die Anklage wertet die Tat als heimtückischen Mordversuch.

Dieter S. hatte damals gewaltige finanzielle Schwierigkeiten. Nach dem Mauerfall hatte der damalige Chef eines Versicherungsbüros mit 200 Mitarbeitern in Ostdeutschland noch glänzend verdient. Wie Heuschrecken waren Vertreter in die DDR eingefallen, plötzlich aber stagnierte das Geschäft. Die Versicherer warben sich gegenseitig Kunden ab, und Dieter S. konnte nicht mithalten. 73 000 Mark Schulden hatte er, als er sein Büro auflösen musste. Danach hielt er sich mit Jobs über Wasser. Auf Provisionsbasis bot er Strom- oder Handyverträge, Rabattkarten und ähnliches an. Zeitweise tingelte er mit einem Promotionsstand durch Supermärkte.

Völlig abgebrannt war der gebürtige Ingolstädter im Juni 1995. Er hatte noch 60 Mark, als er sich an seinem Wohnort Nürnberg in den Zug setzte, um in München eine Bekannte anzupumpen. Die Ukrainerin war offiziell sogar seine Ehefrau, er hatte die Scheinehe aber nur aus Mitleid mit ihr geschlossen. Sie sei nicht zu Hause gewesen, er habe stundenlang auf sie gewartet, sagt S. Dann sei ihm die Idee mit dem Überfall gekommen. Die Waffe, die von seinem Vater stammte, habe er stets bei sich getragen.

Ich wollte gerade Geld fordern, da griff der Taxifahrer nach der Pistole, und es löste sich ein Schuss", so der Angeklagte. "Es kann auch sein, dass ich vor Schreck abgedrückt habe." Der Angeschossene wehrte sich jedenfalls weiter nach Kräften. Im Handgemenge um die Waffe lösten sich noch zwei weitere Schüsse und durchschlugen die Windschutzscheibe. Danach flüchtete S. zu Fuß und fuhr ohne Fahrschein in der Toilette eines Zuges zurück nach Nürnberg. Der Taxifahrer setzte einen Notruf ab.

Die Polizei kam Dieter S. durch einen Fingerabdruck auf die Spur. Der lange Zeit nicht verwertbare Abdruck aus dem Taxi konnte erst 2002 mit moderner Computertechnik einem Mann zugeordnet werden, der zwei Wochen vor der Tat in München in Nürnberg ein Gardinengeschäft überfallen hatte: Dieter S. In seiner Wohnung fand man mehrere Waffen, darunter eine Pumpgun mit Schrotladung. Der Prozess wird fortgesetzt.

© SZ vom 28.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: