SZenario:Die Silberhochzeit

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25 Jahre Batic und Leitmayr: Wie haben sie das geschafft, fragt man sich bei der Premiere des Jubiläums-"Tatort"

Von Philipp Crone

Das Mikroskop ist aus!", ruft Miroslav Nemec. Grinsen. Er meint selbstverständlich Mikrofon, und zwar das des Fernsehteams vor ihm. Aber er kennt das ja, aus Jahrzehnten als Schauspieler. Dass dauernd was mit der Technik nicht stimmt und man noch einmal neu ansetzen muss. Also schaut er sich um, auf dem Vorplatz des Kinos am Sendlinger Tor, wo hinter ihm das "Tatort"-Logo auf einem Plakat ausgestellt ist und zehn Fotografen auf das Bild des Abends warten: Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl, die Münchner "Tatort"-Kommissare, deren Dienstbeginn bei der ARD nun genau 25 Jahre her ist. "Mikroskop an?" Die graue Haarpracht zittert kurz, Nemec schüttelt sich, das Interview geht weiter. Ältestes Ermittlerteam in Zeiten der Kommissarinflation, wie schafft man das? Mit der richtigen Chemie, sagt Nemec. Aber was ist das?

Die ARD hat mit einer Statistik versucht, das Phänomen Batic/Leitmayr greifbar zu machen (siehe Grafik): 72 Sendungen mit 152 Leichen, dazu Liebesgeschichten und Affären. Wachtveitl und Nemec kannten sich schon vom Synchronsprechen, als sie 1991 angefragt wurden, "da waren wir beide Anfang 30 und dachten: Einer von uns wird Assistent", sagt Nemec. Konkurrenz, was denn Wachtveitl davon halte, habe er den Kollegen gefragt. "Nichts." Dass sie das erste Ermittler-Duo werden sollten, wussten sie da noch nicht. Aber sie hielten schon vor der Besetzung zusammen. Und auch wenn Wachtveitl am Montagabend nicht so wuchtig auftritt wie sonst, weil er erkältet ist, merkt man in jedem Moment: Da ist etwas zwischen dem 61-jährigen in Bayern aufgewachsenen Nemec aus Kroatien und dem 57-jährigen Münchner Wachtveitl.

Max von der Groeben, nach seinen Fack-ju-Göhte-Filmen gefeierter Jungdarsteller mit einer Rolle im Jubiläums-"Tatort", sagt: "Das ist ein super Paar." Michael Fitz, von 1992 bis 2007 Assistent Carlo, sieht gleich gar keine Grenzen für das Duo, und Günter Rohrbach, Produzent ("Das Boot") und Mitentwickler der "Tatort"-Reihe, sagt: "Sie passen einfach auch gut zur Stadt. Die ist multiethnisch, und das Duo besteht aus einem Kroaten und einem Münchner." Oft wollten Darsteller irgendwann andere Rollen spielen. "Horst Tappert hat aber auch gesagt, der Derrick wird meine Lebensrolle." Das gelte ähnlich für Nemec und Wachtveitl. Erstaunlich aber sei es schon, dass sie sich nicht auch mal auf die Nerven gehen, so eine Rolle so lange zu spielen, das ist ja "wie in einer alten Ehe". Nur, dass sie nicht vor dem Fernseher hocken, sondern im Auto, den Fall diskutieren und vor Türen stehen und warten. In der Folge "Mia san jetz da wo's weh tut" gibt es dann wieder viele dieser stummen Dialoge, wie sie nur Menschen führen, die sich lange kennen. Blicke wie Sätze. Szenen einer Ehe zur Silberhochzeit.

Und dazu das Münchnerische, denn das ist auch ein Grund für die Popularität der beiden, dass sie hierher passen. "Der Münchner ist offen, kritisch und hat einen eigenen Humor, er frotzelt gerne,", sagt Nemec. Ein bisschen boshaft. In der Hinsicht sind Batic und Leitmayr wie Nemec und Wachtveitl. Sie kommunizieren vor der Kamera wie im wahren Leben. Leitmayr sieht seinem Kollegen beim Denken zu, als sie zu Beginn der Folge von einem vermeintlich gelösten Fall heimfahren. "Hallo?", sagt Leitmayr. Bedeutet unter Langzeitkommissaren: Sag mir, worüber du nachdenkst. Sie kriegen sich dann wieder in die Haare, halten trotzdem zusammen, stampfen Reichensöhnchen verbal zusammen: "Kriminalpolizei. Ja, das gibt's wirklich."

Mit Münchner Humor wird dann auch das Dienstjubiläum begangen in der Folge, indem der Techniker spätabends, als sie wieder nicht weiterkommen, eine Runde Espressi aus Pappbechern zum Anstoßen bringt. Sie setzen die Puzzleteile der Ermittlung mühsam zusammen und sind dabei immer so aufmerksam, dass ihnen keine Spur entgeht, kein Hinweis, aber auch kein kurzer Moment, in dem man im Gespräch, Verhör oder Ratsch einen kleinen Punktsieg erringen kann.

Wachtveitl und Nemec können das auch wunderbar. Nach dem Film sitzen sie noch auf der Bühne, Von der Groeben, der in der Folge mit einer jungen Prostituierten flüchtet, wünscht sich, beim nächsten Mal mitermitteln zu dürfen statt weglaufen zu müssen. Nemec kontert sofort: "Du hast dich für die Frau entschieden!" Mit einem gesunden Wachtveitl würde der junge Darsteller jetzt eine Spruchsalve abkriegen. So ergeht es auch allen neuen Kollegen am Set, sie werden erst einmal auf Schlagfertigkeit getestet. An die von Nemec und Wachtveitl kommt allerdings niemand ran, vor allem deshalb verstehen sich die zwei auch so gut.

© SZ vom 16.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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