SZenario:Die Profis und der Professor

Lesezeit: 1 min

Lob für die Kunst, Kritik für die ARD: Sänger Patrick Lindner (r.) mit Lebensgefährte Peter Schäfer. (Foto: Florian Peljak)

Lästereien, Leckereien: Am Abend des Sommerempfangs im Auktionshaus Dorotheum geht es nur manchen Gästen wirklich um Kunst

Von Philipp Crone, München

Für Robert von Weizsäcker sind 30 Minuten "schon sehr lang". Der Ökonomie-Professor und älteste Sohn des ehemaligen Bundespräsidenten lächelt, wirft noch einen letzten Blick auf das Din-A4-große Öl-Gemälde, das ihm "ganz besonders gut" gefällt, dann schiebt er sich durch das Gedränge Richtung Ausgang. Eine halbe Stunde inmitten des hiesigen Adels, einigen Unternehmern und ein paar Fernsehbekanntheiten sind dem Mann sichtlich zu viel. Währenddessen ist Schlagersänger Patrick Lindner längst zum hinteren Ausgang der Räume an der Galeriestraße geschlendert. Unter den Arkaden am Hofgarten ratscht er sich warm, um später zum verbalen Knockout anzusetzen, gegen die neue Musikantenstadl-Sendung. Man erkennt beim traditionellen Empfang des Auktionshauses Dorotheum sofort die Neulinge und die Routiniers, die genau wissen, wann man sich wo aufhalten muss an diesem Dienstagabend.

Dorotheum-Profi Lindner steht also zunächst im sommerabendlichen Hofgarten statt drinnen im Gedränge. Bilder schaut ersich erst an, wenn der Andrang geringer ist. "Katastrophal" sei die Stadl-Sendung gewesen, und Moderatorin Carolin Reiber pflichtet ihm bei: "Die Erwartung war groß, die Enttäuschung noch größer." Doch mit Ärgernissen hält man sich an diesem Abend nicht lange auf. Neben Reiber schwärmt Eva-Maria Prinzessin von Preußen, wie herrlich das sei, die Münchner Kunstfreunde nach dem Sommer "so gut gebräunt wiederzusehen". Und was ist mit der Kunst? Frau von Preußen lächelt, gut gebräunt, und sagt: "Man braucht immer einen Aufhänger für eine Feier."

Das sehen die Gastgeber, Dorotheum-Chef Franz Freiherr von Rassler und Ursula zu Hohenlohe, deren Gesellschaftskontakte dem Haus eine exklusive Gästeliste bescheren, wahrscheinlich ein wenig anders. Für sie ist Kunstsammler Clemens Steinpichler ein idealer Gast. Zunächst wartet er bei einem Glas Wein den ersten Andrang ab, um dann in Ruhe und in beschwingter Konsumstimmung Bilder zu begutachten. Steinpichler wird von seiner Begleitung auf ein Werk von Gerhard Richter aufmerksam gemacht, "schau doch Schatz, wie schön!" Ne, Zeitgenössisches sei eher nicht so sein Fall, mehr das Bild von Olga Wiesinger-Florian gegenüber. Das kostet auch nur 20 000 Euro und nicht 200 000 wie der Richter.

Beim Anblick der Paare, die am späteren Abend Alte Meister und deren Preisschildchen studieren und leidenschaftlich enthemmt über Investitionen diskutieren, könnte man glatt auf die Idee kommen: Vielleicht war es ganz geschickt von Robert von Weizsäcker, sich die Bilder ganz kurz nur anzusehen, und vor allem: ganz nüchtern.

© SZ vom 17.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: