SZ-Serie:Mehr München geht nicht

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Als Helmut Dietl in den Achtzigern in Los Angeles wohnt und an Heimweh leidet, erfindet er den Monaco Franze. Für den ewigen Stenz dreht sich alles ums Flirten, ganz so wie im echten Schwabing von damals. Die Serie gilt noch heute als Inbegriff des Lebensgefühls in der Stadt

Von Gerhard Fischer

Jeder hat seine Lieblingsfigur beim Monaco Franze. Zum Beispiel den Dr. Edgar Schönferber, diesen herrlich blasierten Bildungsbürger. Großartig, wie er den Wein im Glas schwenkt, einen Schluck nimmt, Luft einsaugt und dabei zwitschert wie ein Vogel. Dann erklärt er dem Monaco Franze, vulgo: Franz Münchinger, und den anderen am Tisch, was für ein "einmaliges Kunsterlebnis" die Oper gewesen sei, der man gerade beiwohnen durfte.

Als der Monaco Franze widerspricht ("ein Scheißdreck war's"), schaut ihn Schönferber indigniert an, mit einem offenen und einem halb geschlossenen Auge, als trage er ein Monokel. Sinngemäß sagt er dann, der Banause Franz Münchinger solle sein dummes Maul halten. Am Ende behält bekanntlich der Monaco Franze recht - er hatte sich die Opern-Bewertung vorsagen lassen, von einem über alle Zweifel erhabenen Kritiker.

Andere Lieblingsfiguren könnten sein: der treue Kumpel Manni Kopfeck, weil er von Karl Obermayr so grandios gespielt wird; die erdige Haushälterin Irmgard (Erni Singerl), weil sie das aufgesetzte Gewese um Gedichte und klassische Musik mit dem unterbricht, was wirklich wichtig ist im Leben: "Das Essen is fertig!" Oder Franzes Freundin Elli, die nur Gisela Schneeberger so gschnappig und treuherzig verkörpern kann.

Und dann gibt es noch die Lieblingssprüche, die jeder kennt, der den Monaco Franze gesehen hat: "A bisserl was geht immer", "Geh Spatzl, schau, wia i schau", "A Hund bist scho, Franze". Wie oft wurden diese Sprüche wiederholt, und wie sehr wurde damit ein Münchner Lebensgefühl transportiert. Fast in Vergessenheit geriet indes ein Satz des Monaco Franze, der genauso genial wie gemein ist. Als er sich unerlaubt von zu Hause entfernte, um mit Kopfeck zum Faschingsball zu gehen, denkt er am nächsten Morgen darüber nach, wie er das seiner Frau beibringen kann. Er erwägt diese Erklärung: "Ich bin daheim so depressiv geworden, Spatzl, dass ich raus und mit einem reden musste, und wenn's bloß der Manni Kopfeck ist."

Aber eigentlich geht es beim Monaco Franze bloß in zweiter Linie um Lieblingsfiguren und Sprüche, es geht immer und zuallererst ums Paaren. Und so war es auch im echten Schwabing, damals, Anfang der Achtzigerjahre, als Helmut Dietl den Monaco Franze drehte.

Filmemacher, Musiker, Barmänner und Barfrauen, Künstler und Lebenskünstler trafen sich morgens in den Cafés, bevorzugt im Venezia und im Münchner Freiheit; sie frühstückten spät, redeten über das, was in der vergangenen Nacht passiert war und wen man in der nächsten Nacht abschleppen könnte.

Auch der Monaco ging ausgiebig aus, wobei dieser Strizzi, dieser übrig gebliebene Stenz, natürlich weniger hip war als die Herren und Damen Künstler. Es gibt die Szene, wo er - vorbei an Thomas Gottschalk als Türsteher Ricky - in der Occamstraße in die Disco geht. Und die Disco ist fast leer. In der Occamstraße ging man eher in den Siebzigerjahren aus. Jetzt ging man zum Aufreißen ins P1 oder Parkcafe. Auch im wirklichen Leben.

Bis Aids kam. Im Sommer 1983 war der Countertenor Klaus Nomi plötzlich tot, und es hieß, er sei an einer rätselhaften Infektionskrankheit gestorben. In Schwabing gingen alle zum Aids-Test, und der heute als Querkopf gerühmte Peter Gauweiler forderte damals, dass Infizierte, die "uneinsichtig" seien, "abgesondert" werden müssten. Von Lagern war die Rede.

In der Serie, die im Frühjahr 1983 ausgestrahlt wurde, geht es noch nicht um Aids. Man ist unbeschwert. Aber Schwabing, nein, fast ganz München veränderte sich bereits in anderer Hinsicht. Die Mieten zogen an, die Wirtshauskultur begann zu bröckeln. Schon beim Monaco Franze gibt es diese Faschings-Folge, bei der Franz und Manni zum Ball in den Donnersberger Hof gehen wollen. So wie sie das seit 15 Jahren getan haben. Aber diesmal gibt es keinen Ball, an Stehtischen essen die Leute Hamburger. Der Wirt, der alte Kugler (wie immer famos: Fritz Strassner), sagt ihnen, dass in seiner Wirtschaft alles teurer geworden sei: Pacht, Wasser, Heizung. "Das einzige, was runterging, war der Umsatz." Und deshalb hat er jetzt einen Stehimbiss. "Sie werden jetzt sagen, das ist der Untergang der Gastronomie", sagt der Kugler, "und ich sage, Sie haben recht. Aber wenn ich abends in die Kasse schaue, dann habe ich recht."

In Bonn kommt Kohl an die Macht und ruft die geistig-moralische Wende aus, was vor allem dazu führt, dass bei Politiker-Gipfeln im Fernsehen mehr Strickjacken zu sehen sind, aber auch dazu, dass die Leute in Deutschland unpolitischer werden, träger. Auch in München. Aber lässig bleibt die Stadt immer noch, irgendwie.

Helmut Fischer und Helmut Dietl hatten sich bereits in den Siebzigerjahren angefreundet, Fischer saß in einem Café an der Leopoldstraße, als Dietl und seine Frau Barbara Valentin vorbeikamen. "Setzt's euch halt mal her", sagte Fischer.

Später, Dietl war einige Zeit in Los Angeles, bekam er Heimweh, vermisste das Lebensgefühl in München und erfand in den USA die Figur des Monaco Franze. Auch Fischer kannte das Heimweh - nein, er wollte es gar nicht dazu kommen lassen. Er verließ München fast nie. Christian Ude, der mit ihm befreundet war, beschrieb ihn als vorsichtigen, "zutiefst ernsten Mann", politisch, pessimistisch, pedantisch. "Charmant und vergnügt war er trotzdem."

Vom Monaco Franze hatte Fischer wenig. Der Franze treibt es bunt, obwohl: Er flirtet zwar ständig, kommt aber oft nicht ans Ziel, etwa als er endlich die Lilly (Michaela May) abschleppt, die er seit 15 Jahren haben will; aber dann hat sie ein Baby daheim und eine Oma, die herrlich grußlos geht, als die Lilly mit dem Franz nach Hause kommt. Der Franz geht dann auch.

Überhaupt ist es nicht bloß der Monaco, der nebennaus gehen will, wie man so sagt, alle versuchen es und pflegen ihre Doppelmoral: Professor Hallerstein (Walter Sedlmayr) buhlt ums Spatzl, obwohl er daheim eine Frau hat, dito Dr. Schönferber. Und selbst Annette von Soettingen ist im Fasching einfach mal drei Tage weg. Als sie geht, hat sie ein Ballkleid an, als sie zurückkommt, trägt sie ein Ringelhemd wie ein gewöhnlicher Proletarier, der damals in München zum Fasching ging.

© SZ vom 04.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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