SZ-Serie: Die Isartürkin:Olivenöl hilft gegen alles

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(Foto: Themightyquill / CC BY-SA 3.0 (M); Getty Images; dpa; Collage SZ)

Unsere Kolumnistin macht sich zum Jahresanfang noch einmal Gedanken darüber, welche Beispiele aus der Türkei belegen, dass ihre Landsleute unerschütterliche Optimisten sind

Kolumne Von Deniz Aykanat

Es war kein einfaches Jahr für eine Isartürkin . . . oder einen Rheinkurden, oder eine Elbanatolierin. Gespalten sei die Community der Deutschtürken, tönte es aus allen Ecken, nämlich in Pro-Erdoğan und Contra-Erdoğan. Den Doppelpass wollte man uns wieder wegnehmen. Ich habe übrigens keinen. Ich kenne auch niemanden, der einen hat. Kennen Sie einen dieser sagenumwobenen Doppelpassler? Es gibt Schätzungen zufolge wohl gerade einmal 200 000. Aber Hauptsache, die müssen dann wieder einen der beiden Pässe abgeben! Dann wird alles gut!

Oder vielleicht ist der Doppelpass in Wirklichkeit gar kein Problem - sondern einfach nur eine Fußball-Talksendung. Das Jahr vor diesem, also 2016, das war ja eigentlich noch schlimmer. Böhmermann versus Erdoğan, der Putschversuch in der Türkei. Deshalb habe ich das einfach ausgelassen und startete meine Kolumne erst im Frühling 2017. Na, erkennen Sie ihn? Den türkischen Pragmatismus?

Ich habe in dieser Kolumne schon öfter über den unverbesserlichen Optimismus der Türken gesprochen. Kleiner Auszug zur Erinnerung:

• Wenn Deutschtürken wegen ihrer Namen keine Wohnung bekommen, erfinden sie einfach einen neuen samt passender Email-Adresse.

• Wenn im Sommer in der Türkei die Grünflächen wie Präriesteppen aussehen, stellen türkische Haushälterinnen ihre türkische Kuh eben auf den saftigen deutschen Spießer-Rasen: Das nennt man auch deutsch-türkische Freundschaft.

• Olivenöl hilft gegen alles. Alles!

• Es gibt kein deutsches Vorurteil, das ein Deutschtürke nicht mit einem dicken deutschen Auto ordentlich plattfahren könnte.

• Wenn mal das Geld knapp sein sollte, schickt man in der Türkei einfach die Kinder vor. Die gelten dort als Heilige und kriegen alles umsonst.

• Deutschtürken fahren in den Sommerferien immer in den Türkei-Urlaub! Ob nun gerade in Ankara eine gewählte zivile Regierung an der Macht ist oder sich schon wieder eine Militär-Junta hochgeputscht hat. Ob die Lira steigt oder fällt.

• Ist die Inflation hoch, führt man auf den Taschenrechnern Tasten mit zwei und vier Nullen ein. Soll sich doch keiner zu Tode tippen.

• Gegen Bomben in Mülleimern hilft es ..., genau, ... keine Mülleimer aufzustellen, in die Terroristen Bomben werfen könnten.

• Ist die Regierung zu unfähig, den Ausbau des Stromnetzes voranzutreiben, bedient man sich beim nächsten Strommasten am vorhandenen Kabelsalat und zapft selbst.

• Jedes Kind sollte sich jemanden wie meinen Onkel Çeko suchen, eine Art türkischer MacGyver. Denn Onkel Çeko kann alles (siehe auch Olivenöl).

• Wenn man gerade sein Maschinenbaustudium in Ankara abgebrochen hat und völlig ohne Perspektive im Zug nach Istanbul einen Deutschen aus Wuppertal kennenlernt ... dann zieht man eben nach Wuppertal und verbringt den Rest seines Lebens in Deutschland.

Mein Vater entfloh vor Jahrzehnten der Enge einer zentralanatolischen Beamtenstadt. Meine Mutter entfloh der Enge der zentralkatholischen Oberpfalz. Das Ziel: die bayerisch-türkische Freiheit in München. Das Beste aus beiden Welten also. Dabei kam auch ich heraus: eine Isartürkin.

Im Vorspann dieser Kolumne steht, dass in der Beziehung zwischen Deutschen und Türken etwas gewaltig schief läuft. Und das ist auch die Wahrheit. Denn die türkische und die deutsche Seite liefern sich manchmal wie Teufelchen und Engelchen auf meinen Schultern einen Ringkampf. Das wird auch im Jahr 2018 nicht anders sein. Wahr ist aber auch, dass sie meistens da sitzen, die Beine baumeln lassen und belustigt den Kopf übereinander schütteln. O mei, sagt der Bayer dazu.

Ist das jetzt noch bayerischer Fatalismus oder doch schon türkischer Pragmatismus?

Mutlu yıllar!

2018 kann beginnen.

In der Beziehung zwischen Deutschen und Türken läuft etwas schief. Es scheint nur noch "wir" und "die anderen" zu geben. SZ-Redakteurin Deniz Aykanat trägt beide Seiten in sich. Meistens verstehen sie sich gut. Die SZ-Serie erschien bislang alle zwei Wochen in der Dienstagsausgabe auf der Leute-Seite. Unsere Autorin verabschiedet sich nun nach dieser vorerst letzten Folge allerdings erst einmal in eine längere Pause, denn ein paar größere Projekte erwarten die Isartürkin im anstehenden Jahr. Im Sommer wird sie sich mit neuen deutschtürkischen Geschichten zurückmelden. Bis dahin: Servus und görüşmek üzere!

© SZ vom 03.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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