Streit um Wohnungsbau:Mehr Flächen für weniger Geld

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Dieter Reiter verlangt vom Bund, bei Grundstücksverkäufen die Stadt zu bevorzugen. Mit der zuständigen Behörde liegt der OB schon länger im Clinch

Von Dominik Hutter, München

Oberbürgermeister Dieter Reiter hat ein deutlich größeres Engagement des Bundes beim Wohnungsbau angemahnt. Bisher komme Berlin dieser Aufgabe nur unzureichend nach, kritisierte der SPD-Politiker, der händeringend nach Flächen für neue Wohnhäuser sucht. Hauptadressat der Forderung ist die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima), die immer wieder ehemals vom Bund genutzte Grundstücke veräußert. Diese Flächen, fordert Reiter, müssten aber zu einem vergünstigten Preis zunächst der Stadt angeboten werden, die dort dann bezahlbare Wohnungen errichten könnte. Es sei falsch, Höchstpreise zu verlangen, weil dann oft Private zum Zuge kämen. Bima-Chef Jürgen Gehb hält Sozialpolitik jedoch nicht für die Aufgabe seiner Gesellschaft. Die Bima sei gegründet worden, um bundeseigene Grundstücke nach Marktkonditionen zu verwalten und zu verkaufen.

68 Grundstücke unterschiedlicher Größe besitzt der Bund in München. 17 davon sind nach Bima-Angaben aus Bundessicht entbehrlich und sollen möglichst innerhalb der nächsten fünf Jahre verkauft werden. Bei weiteren zehn ist laut Gehb "perspektivisch ein Verkauf zu einem späteren Zeitpunkt möglich, aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht absehbar".

Über die Marktorientierung der Bima ist Reiter verärgert: "Der Bund muss darüber nachdenken, ob er es ernst meint mit der Unterstützung des Wohnungsbaus", sagt er. Die Bima, das sieht auch der Rathaus-Chef so, handle nicht aus Böswilligkeit - es sei eine Entscheidung der Politik, die Rolle des Bundesunternehmens neu zu definieren. Reiter erwartet daher die klare Anweisung der Bundesregierung an die Bima, von ihrer Höchstpreispolitik abzurücken. Sollte Berlin weiterhin Maximalerlöse aus seinen Grundstücksverkäufen erwarten, so der OB mit bitterem Humor, müsse es eben die Wohnungsbaufördermittel verzehnfachen. "Dann können wir auch den Marktpreis zahlen."

Auch Bima-Chef Gehb verweist angesichts der Kritik auf die geltende Gesetzeslage und sieht seine Gesellschaft zu Unrecht in die Rolle des Prügelknaben gedrängt. Wenn die Politik neue Vorgaben beschließe, werde man diese selbstverständlich umsetzen. Gehb macht aber keinen Hehl daraus, dass er die Bima nicht als eine Art Selbstbedienungsladen der Kommunen sieht. Ein solches Webmuster sei abwegig. Sozial- und Wohnungspolitik solle in den Behörden gemacht werden, die dafür zuständig sind.

Die Bima und das Münchner Rathaus sind schon öfter aneinandergeraten - den beiden Protagonisten ist anzumerken, dass sich die gegenseitige Sympathie in Grenzen hält. Bereits im vergangenen Herbst hatten sich Reiter und Gehb bei einem Parlamentarischen Frühstück in Berlin, an dem Mandatsträger aus der gesamten Region München teilnahmen, einen verbalen Schlagabtausch geliefert. Und erst kürzlich hat Reiter einen empörten Brief an Jens Spahn, den Staatssekretär im Bundesfinanzministerium geschrieben, weil die Bima bei einem Grundstücksdeal im Münchner Norden gegen ihre eigenen Richtlinien verstoßen habe. Die besagen seit 2015, dass die Kommunen ein Vorkaufsrecht genießen, wenn sie Sozialwohnungen bauen wollen. München ging bei den Flächen an der Mortonstraße trotzdem leer aus, weil laut Bima die Verhandlungen schon weit fortgeschritten waren, als die Richtlinie in Kraft trat. Die Bima verliere sonst das "Renommee eines berechenbaren Handelspartners", betont Gehb. Reiter sei schlicht zu spät dran gewesen. "Das hat er verschlafen." Immerhin: Demnächst kommen weitere Flächen an der Mortonstraße auf den Markt, und diesmal will die Bima die Stadt bevorzugen. Gehb gibt allerdings zu bedenken, dass auf diesen Grundstücken Häuser mit vermieteten Wohnungen stehen. Reiter meldet trotzdem Interesse an. Eventuell könne man an der Mortonstraße nachverdichten.

Reiter und Gehb werden wohl noch öfter miteinander verhandeln müssen.

Unter den Flächen, über die Bima und Rathaus aktuell sprechen, befindet sich auch das 25 Hektar große Grundstück des ehemaligen Kreiswehrersatzamts an der Dachauer Straße, das einst als Standort des Olympischen Dorfs für die Winterspiele 2018 auserkoren war. Reiters Aussage über das eigene Kaufinteresse lautet: "Sofort. Aber zu einem vertretbaren Preis." Die Flächen nahe dem Leonrodplatz liegen relativ zentral, zudem wurden bei den Vorbereitungen für die später gescheiterte Olympia-Bewerbung bereits Pläne für ein Wohnviertel ausgearbeitet. Derzeit befinden sich dort neben einigen Wohnungen auch Verwaltungsbauten der Bundeswehr, die noch mindestens bis 2018 benötigt werden. Was danach geschieht, so die Bima, hänge von einem Konzept für alle Münchner Bundeswehr-Standorte ab, das derzeit im Verteidigungsministerium erarbeitet wird.

Verhandelt wird aktuell auch über das Grundstück der ehemaligen Bundesmonopolverwaltung in der Neumarkter Straße sowie das Virginia-Depot an der Schleißheimer Straße. Dort könnten Flüchtlinge untergebracht werden oder auch Sozialwohnungen entstehen. Die Bima hat seit 2003 rund 163 Hektar Flächen in München veräußert, viele davon waren ehemals militärisch genutzt. Der Erlös dafür betrug 250 Millionen Euro. 83 Prozent der Areale, darauf weist die Bima explizit hin, wurden an die Stadt München verkauft.

© SZ vom 17.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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