Streit um Umweltzone in München:Jetzt staubt's aber

München macht die City dicht: Von kommender Woche an dürfen innerhalb des Mittleren Rings nur noch Autos mit grüner Plakette fahren. Diese Regelung zur Umweltzone ist den einen zu lasch und den anderen zu streng. Demnächst wird der Streit vor Gericht ausgetragen.

Marco Völklein

Ein Wortbeitrag von Joachim Lorenz, egal ob auf einer Pressekonferenz oder in einer Stadtratsdebatte, zeichnet sich in der Regel dadurch aus, dass den Zuhörern schnell mal schwindlig wird. In atemberaubendem Tempo rattert der Umweltreferent Zahlen runter.

Auch am Dienstag servierte der Grüne wieder viele, viele Daten: An 48 Tagen habe der Feinstaubgrenzwert im vergangenen Jahr über dem Erlaubten gelegen. 35 Tage sind nur erlaubt. Noch schlimmer sehe es beim Stickstoffdioxid aus. Auch da liege München weiter über den diversen Grenzwerten, die mal im Jahres-, mal im Stundenmittel gemessen werden und die Lorenz im Schlaf herunterbeten kann.

Um in Zukunft vielleicht doch irgendwann mal reinere Luft zu haben, verschärft München nun zum 1. Oktober die Regeln für die Umweltzone (Weitere Details ...). Von Montag an dürfen nur noch Fahrzeuge mit grüner Plakette in die Umweltzone rein. Neben München haben dies bereits sieben andere Städte gemacht, darunter Berlin, Frankfurt und Stuttgart. "Wir befinden uns in guter Gesellschaft", findet Lorenz.

Tatsächlich hat es Berlin zum Beispiel geschafft, sein Feinstaubproblem in den Griff zu bekommen. Auch München, sagt Lorenz, sei auf einem guten Weg. Sollten sich im kommenden Jahr die tückischen Inversionswetterlagen (Infos zum Einfluss des Wetters auf die Feinstaubbelastung ...) nicht allzu oft ausbreiten, "werden wir das Feinstaubproblem hoffentlich gelöst haben", kündigt er an - und schiebt gleich noch ein paar Zahlen nach.

Seit Einführung der Umweltzone vor vier Jahren und deren Verschärfung im Herbst 2010 hätten die Münchner ihre Autos schneller erneuert als Autofahrer im bundesweiten Durchschnitt. So gingen die Feinstaubemissionen um 32 Prozent zurück, beim Dieselruß waren es ebenso 32 Prozent und bei Stickoxiden 2,5 Prozent.

Die Daten stammen aus einer Wirkungsanalyse, die überprüfen sollte, ob die Umweltzone überhaupt etwas bringt. "Ich hoffe, die Wirkungsanalyse hat endlich auch die notorischen Zweifler von Umweltzonen überzeugt", sagt Lorenz.

Doch diese Hoffnung wird sich kaum erfüllen. Im Gegenteil. Über Sinn und Unsinn der Umweltzone wird in den nächsten Wochen heftig diskutiert werden. Am 9. Oktober treffen sich Juristen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) sowie Vertreter des Freistaats und der Stadt vor dem Verwaltungsgericht in der Bayerstraße.

Die Umweltorganisation aus Berlin will mit einer Klage ein deutlich schärferes Vorgehen für reinere Luft erzwingen. Was Stadt und Freistaat bislang gemacht hätten, sagt DUH-Anwalt Remo Klinger, sei ungeeignet, um "die Grenzwertüberschreitungen auf ein Minimum zu reduzieren und schrittweise zu einem Stand unterhalb der Grenzwerte zurückzukehren".

Klinger fordert unter anderem, die Umweltzone über den Mittleren Ring hinaus auszudehnen. Auch habe die Stadt "Ausnahmen zu großzügig erteilt", die Plakettenpflicht werde "nur halbherzig kontrolliert". Geht es nach Klinger, soll das alles viel rigoroser gehandhabt werden.

ADAC: Umweltzone hat "keine Wirkung"

Aber nicht nur Umweltverbände stören sich an den bestehenden Regeln. Auch die Autofahrerlobby nimmt Umweltzonen-Verfechter Lorenz in die Zange - nur von der anderen Seite. Der ADAC zum Beispiel warnt bereits davor, die Zone auszudehnen. "Der Mittlere Ring als Hauptverkehrsader muss uneingeschränkt befahrbar bleiben", sagt Alexander Kreipl vom ADAC. Andernfalls würde der Verkehr auf Nebenstraßen ausweichen, dort für Staus sorgen und so die Luft verpesten.

Feinstaub, Umweltzone, München

Im September 2008, als dieses Foto entstand, durften noch Fahrzeuge mit allen Plaketten in die Münchner Innenstadt einfahren. Vom 1. Oktober an ist die City für Autos mit roter und gelber Plakette tabu.

(Foto: dpa)

Vielmehr noch sieht der Klub in den Umweltzonen zwar einen "Riesenaufwand", der letztlich aber "keine Wirkung" habe. Eine Studie des Umweltbundesamts habe gezeigt, dass nur neun Prozent der in deutschen Städten gemessenen Feinstaubbelastung aus Pkw-Auspuffen stammt. Feinstaub und Stickoxide entstünden "zu großen Teilen auch bei Verbrennungsprozessen in Industrie und Haushalten" - genau dort müsse die Politik mit strengeren Regeln ansetzen.

Lorenz sieht das anders. Zum einen habe die Stadt bereits 2011 die Brennstoffverordnung für Hausbesitzer verschärft. Und zum anderen zeige ja die Wirkungsanalyse, dass die Umweltzone etwas bringe. Zudem benötigt er die schärferen Umweltzonen-Regeln, um die DUH-Klage abschmettern zu können.

Auch mit Blick auf die Verhandlung im Oktober habe der Freistaat die neuen Umweltzonen-Regeln in einer Rekordzeit von nur vier Wochen genehmigt, sagt Lorenz: "Nun können wir dem Gericht etwas vorzeigen." Man habe "alle vertretbaren Maßnahmen" ergriffen, um die Feinstaubbelastung zu senken.

Tatsache bleibt aber auch, dass München beim Stickstoffdioxid, abgekürzt NO2, weiterhin sämtliche Grenzwert-Hürden reißt. Das räumt auch Lorenz ein und weist umgehend darauf hin, dass die Kommunen gegen dieses Gift noch weniger ausrichten könnten als gegen den Feinstaub.

Um die NO2-Grenzwerte an der Landshuter Allee zu drücken, "müssten wir den Verkehr um mehr als 80 Prozent reduzieren", sagt Lorenz. "Das ist weder verhältnismäßig noch der Bevölkerung vermittelbar - auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten."

Er hofft daher beim NO2-Problem gleich in zwei Punkten auf Unterstützung der Europäischen Union. Zum einen müsste Brüssel aus Lorenz' Sicht dafür sorgen, dass Autos mit den strengeren Abgasnormen Euro-5 und Euro-6 rascher eingeführt werden. Zum anderen hofft er darauf, dass die EU der Stadt eine Ausnahmegenehmigung bis 2015 erteilt.

Das würde bedeuten, dass München bis dahin weiter die NO2-Grenzwerte überschreiten darf, ohne mit einer Strafe aus Brüssel rechnen zu müssen. Beim Feinstaub hatte sich die Stadt mit solchen Ausnahmeregeln auch immer wieder über die Zeit gerettet.

Wie hoch die Feinstaubbelastung in Deutschland ist und welche Regionen wann besonders betroffen sind, sehen Sie in unserer interaktiven Fakten-Karte.

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