Straßenbahn:Alle zusteigen, bitte!

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Die Stadt vertagt den Beschluss über die Tramlinie durch den Englischen Garten, weil die SPD noch auf eine Wende bei der CSU hofft

Von Dominik Hutter, München

Probleme mit der Mehrheit habe es nicht gegeben, versichert die SPD hoch und heilig. Als die Stadträte am Mittwoch zum letzten Plenum des Jahres zusammengekommen seien, hätte man die Tram durch den Englischen Garten beschließen können. Knapp und gegen die Stimmen der CSU, die Planungen hätten aber schon weitergehen können. Kurz vor der Mittagspause bat jedoch SPD-Fraktionschef Alexander Reissl die eigene Truppe zur Kurz-Klausur. Später beschloss der Stadtrat auf Antrag der CSU, den Beschluss zu vertagen. Bis zur Januarsitzung wollen sich deren Stadträte diversen Detailfragen widmen - mit offenem Ausgang. Eine Zustimmung der einstigen Tramhasser-Fraktion gilt nicht mehr als ausgeschlossen.

Warum das Ganze, könnte man nun fragen - wo doch das Ja schon unter Dach und Fach sein könnte. Für Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) aber wäre die Zustimmung auch der CSU enorm wichtig. Nicht nur, weil es sich um den Bündnispartner handelt. Eine breite Mehrheit erleichtert die vielen Stadtratsbeschlüsse, die bis zum ersten Spatenstich noch erforderlich sind. Wenn man dabei stets auf das Wohlwollen der Opposition angewiesen ist, kann der Weg zur Tram ein holpriger werden - und eine Panne bei nur einer Abstimmung wäre ein Desaster. Bei jeder Sitzung wären Krankheitsfälle in den eigenen Reihen ein ernsthaftes Problem. Das will sich Reiter ersparen.

Die CSU wiederum will sich bis Januar neu sortieren. Die kurze Hoffnung, der langjährige Tram-Gegner Markus Söder werde als Ministerpräsident das Ja des ungeliebten Horst Seehofer kassieren, hat sich zerschlagen. Nach Einschätzung von CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl gilt es nun, sich intensiv mit verschiedenen Varianten auseinanderzusetzen und dann eine abschließende Haltung abzustimmen. Auch die CSU weiß, dass es beim Nahverkehr mutige Schritte braucht, um den Kollaps abzuwenden. Und die ÖDP hat ja zwei interessante Vorschläge eingebracht: einen Abzweig zur Münchner Freiheit und eine Prüfung, ob der Abschnitt ohne Oberleitung stadtbildverträglich bis in die Thieme- und Martiusstraße verlängert werden kann. Das setzt voraus, dass die für diese Strecke vorgesehene Akku-Tram ein etwas längeres Stück ohne elektrischen Nachschub durchhält als nur den Abschnitt im Englischen Garten. Was Pretzl für höchstwahrscheinlich hält. Schließlich seien längst auch Elektrobusse mit einer Reichweite von 300 Kilometern im Einsatz. "Da müsste eine Tram doch zwei Kilometer schaffen."

Tatsächlich sind bei der Planung noch sehr viele Fragen offen. Die Anbindung der Münchner Freiheit etwa hätte man nicht mehr eigens beantragen müssen. Das haben die Stadtratskollegen von den Liberal-Konservativen Reformern (LKR) bereits vor Monaten getan, und in der Beschlussvorlage des Planungsreferats ist ausgeführt, dass diese Möglichkeit ebenso geprüft wird wie der alternative Einsatz von Elektrobussen.

Allerdings sei die Vorlage gerade bei den Trassendetails noch mit ziemlich heißer Nadel gestrickt, räumt Reiter ein. Dieser hatte offenkundig ebenfalls einen Meinungsumschwung der Staatsregierung für möglich gehalten und daher auf eine rasche Befassung im Stadtrat gedrängt. Dieser hätte jedoch lediglich über eine Simulation plus Beschreibung eines sehr kurzen Streckenabschnitts im Englischen Garten entscheiden können. Keinerlei offizielle Aussagen gibt es bisher über die vor allem für die Schwabinger Anwohner wichtigen Bereiche in der Franz-Joseph-, Martius- und Thiemestraße. Die verkehrlich heikle Querung der Leopoldstraße spielt ebenso wenig eine Rolle wie der Tram-Abzweig am Elisabethplatz oder die Auto-Zufahrt zum Chinesischen Turm, die man wohl kaum aufgeben will. Dies soll alles erst in weiteren Planungen geklärt werden. Möglichst einvernehmlich.

© SZ vom 18.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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