Strafprozess:Im Zweifel für den Zufall

Lesezeit: 2 min

Trotz Genspur am Tatort wird ein Mann vom Vorwurf des Einbruchs freigesprochen

Von Christian Rost, München

Der genetische Fingerabdruck eines Menschen ist ziemlich einzigartig. Das gilt auch für die DNA von Nedilijko K. Diese fand die Polizei am 4. Juni 2012 in einer Villa in Hadern. Am Rahmen eines Bildes, das vor einem ausgeräumten Tresor an der Wand hing, stellte die Spurensicherung verwertbare Genspuren sicher. Sie konnten K. zugeordnet werden. Und dennoch spazierte er am Donnerstag als freier Mann aus dem Saal der 12. Strafkammer am Landgericht München I, wo er sich wegen eines 100 000-Euro-Einbruchdiebstahls verantworten musste.

Es musste K. wie ein verspätetes Geburtstagsgeschenk vorgekommen sein, als das Gericht unter dem Vorsitz von Thomas Hense das Urteil fällte. Der Angeklagte ist gerade 30 Jahre alt geworden, und beinahe wäre er hinter Gittern gelandet. Denn wegen acht Einbrüchen ist er bereits verurteilt worden, die Bewährung läuft noch. Den Einbruch im Sommer 2012 in der Kurparkstraße schrieb ihm die Staatsanwaltschaft ebenfalls zu. Die 68-jährige Hauseigentümerin war gerade im Urlaub in Kitzbühel, als jemand die Alarmanlage an ihrer Villa ausschaltete, die Haustür aufsperrte, sich aus einem Kästchen einen Schlüssel für einen kleinen Tresor nahm, aus diesem den Schlüssel für einen größeren Tresor entwendete, das Bild von der Wand nahm und den Geldschrank dahinter leerräumte. 50 000 Euro Bargeld und Schmuck im Wert von weiteren 50 000 Euro fielen dem Einbrecher in die Hände. Neben mit Brillanten besetzten Goldketten und -ringe, Uhren, Armbändern und Ohrringen nahm der Täter auch ein Testament und Verträge von Lebensversicherungen mit. "Alles weg", sagte die Geschädigte.

Mit dem Fund der DNA von Nedilijko K. schien der Fall geklärt zu sein. Ein genetischer Fingerabdruck ist vor Gericht ein sehr stichhaltiger Beweis. Und dennoch schwor K. vor Gericht Stein und Bein: "Ich war es nicht." Er kenne weder die Villa, noch habe er etwas von einem Tresor gewusst. Was Einbrecher halt so behaupten, wenn sie erwischt werden. In diesem Fall beschlichen aber selbst die Staatsanwaltschaft Zweifel.

Bisher hatte K. eher grob Vereinsheime und Gaststätten aufgebrochen. An der Villa indes gab es keine Einbruchsspuren. Zudem ging der Täter gezielt vor, er durchwühlte nichts, sondern griff sich kundig die Tresorschlüssel. Außerdem wusste er, dass in dem Haus etwas zu holen war. Wer aber konnte das wissen? Die Hauseigentümerin hat schon länger den Ex-Freund ihrer Tochter in Verdacht. Der habe auch den Code für die Alarmanlage gekannt, sagte die Frau. Die Tochter tippte ebenfalls auf ihren Ex. Ermittlungen gegen den Mann hatten allerdings nichts ergeben - auch keinen Bezug zu K. War es also doch der Angeklagte alleine?

Ein DNA-Experte sagte, das müsse nicht unbedingt sein. Der tatsächliche Einbrecher könnte irgendwo zufällig mit K.s DNA in Kontakt gekommen sein, etwa wenn er am selben Tisch gesessen hat wie K. - und diese Genspur dann am Tatort hinterlassen haben. Einen sekundären Transfer nennt man so etwas. Es blieben also erhebliche Zweifel, weshalb die Kammer K. freisprach.

© SZ vom 27.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: