State Zero:Band der Woche

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Die Münchner Band beherrscht beide Spielarten der Gitarren-Musik: leidend und kraftstrotzend. Damit kommen sie ihren musikalischen Vorbildern aus den 90ern nah

Von Rita Argauer

Man kann Gitarrenbands in zwei Kategorien unterteilen: auf der einen Seite die Leidenden, und auf der anderen Seite die, die sich durch Gitarre, Verzerrer und Verstärker stark fühlen. Und diese zwei Herangehensweisen ziehen sich durch die Musikgeschichte: Bob Dylan leidet, Angus Young ist trotz Schuljungen-Uniform kraftstrozend. Robert Smith von The Cure lamentiert, während sich James Hatfield in seiner Potenz suhlt. In den späten Neunzigerjahren geht diese Klammer dann wohl zwischen den Grungern als Weltschmerzvertreter und der Hardcore-Bewegung als Polit-Aktivisten auf. Doch seit der Jahrtausendwende musste die Potenz-Seite ganz schön einstecken. Außer in kleinen Nischen wird das Saiteninstrument im Indie zum Ausdruck für das eigene Leid benutzt oder schlicht, um damit erfolgreich zu werden. Und wenn es um Erfolg geht, dann darf keine der beiden Seiten zu sehr bedient werden, da muss das Zünglein schön in der Mitte bleiben, denn zu extrem darf Musik nicht sein, wenn sie für den Mainstream geschrieben wird.

Doch in München sammelt sich gerade eine kleine Gruppe von Bands und Musikern, die die Potenz-Seite neu erkunden und damit sogar ein wenig Erfolg haben. Das bekannteste Beispiel sind wohl Marathonmann, die eine seltsame Mischung aus Pop und Hardcore spielen und damit deutschlandweit bekannt werden. Oder die Sandlot Kids, die zwar um eine ganze Ecke alternativer sind als Marathonmann, aber dennoch die Gitarre als Kraftprotz benutzen.

Das Quartett State Zero (ist da irgendwo in der Mitte zwischen den beiden. Wenn man die Musik der Münchner Band anhört, hat man ein bisschen das Gefühl, in der Zeit zurückgeworfen zu sein. Da schallt einem der typische Gröl-Gesang des Skate-Punks entgegen, da taucht die Wut von seltsamen Bands wie Papa Roach wieder auf und da wird ganz minimal mit Grooves gearbeitet, die eigentlich aus dem Hip-Hop kommen und die dem Rhythmus der Crossover-Musik der späten Neunzigerjahre dieses dampfwalzenartige Rollen gaben.

"Das Ende der Neunzigerjahre und der Anfang der Nullerjahre war die Zeit, die uns musikalisch am meisten geprägt hat, was man auch in unseren Songs hören kann", erklären sie. Da waren die beiden Sänger und Gitarristen Jonathan Göres und Florian Endriß zwar noch nicht einmal zehn Jahre alt. Und doch knüpfen sie an Musik wie die von Rise Against an und hoffen, damit gegen die arg gefällige Richtung, die die Popkultur in den vergangenen Jahren genommen hat, anzubollern: "Wir haben das Gefühl, dass die Indie-Hochzeit der vergangenen zehn Jahre langsam abnimmt und die alternative Rockszene wieder wächst." Und dass ihre Musik ein gewisses Potenzial birgt, all die Indie-Hörer auf dem Weg in den Hardcore abzuholen, dafür haben sie gesorgt. Denn neben den verzerrten Gitarren und den Gröl-Refrains haben sie in die Harmonik die Zugänglichkeit und Nachvollziehbarkeit der leidenden Gitarren-Helden eingebaut. Es gab eine Band in der Geschichte des Punks, die das ebenfalls sehr gut verbinden konnte: Green Day. Und deren Geschichte zeigt auch die Gefahr, die das in sich trägt: Während das auf der "Dookie" von 1994 noch sehr gut funktionierte, rutschte die Band in den Schunkel-Kitsch und Familien-Rock des "Boulevard of broken Dreams" ab. Doch davon sind State Zero noch entfernt.

Sie spielen noch mit genug Schweiß und Dreck. Etwa auf ihrer Debüt-EP "Homecoming", die sie im vergangenen Juli veröffentlichten. Nun wollen sie eine zweite Single hinterher schieben, bevor sie sich wieder ans Songschreiben für ein Album machen.

© SZ vom 26.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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