Startbahngegner:"Ich schäme mich inzwischen, ein Bayer zu sein"

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Der Attachinger Ludwig Grüll kämpft seit zehn Jahren gegen den Ausbau - entmutigt ist er nach dem Urteil nicht

Von Alexandra Vettori, Freising

Entmutigt und deprimiert? Ludwig Grüll lacht herzhaft. "Nein, ganz im Gegenteil, wir haben das erwartet, eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus." Mit den Krähen meint der Startbahngegner aus dem Freisinger Stadtteil Attaching die Verwaltungsgerichte. Zum einen den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, der im Februar 2014 die Revision gegen die Genehmigung der dritten Startbahn am Flughafen zurückgewiesen hat, und zum anderen das Bundesverwaltungsgericht, das selbiges am Mittwochmorgen tat.

In Attaching, dem Ort, der von der dritten Startbahn am stärksten betroffen wäre, versammelt sich das wackere Häufchen Startbahngegner beim Kramerladen, als das Urteil bekannt wird. Dort sitzt man immer zusammen. Ludwig Grüll ist einer der vier Privatkläger, deren Beschwerde gemeinsam mit der des Bund Naturschutz abgelehnt wurde, ebenso wie ein paar Monate zuvor die Beschwerden der betroffenen Kommunen. Das Gericht habe sich ja nur damit beschäftigt, ob es zu Verfahrensfehlern gekommen sei, sagt er. Ob jetzt, wie angedacht, der Gang zum Verfassungsgericht angetreten wird, kann er derzeit noch nicht sagen. "Nächste Woche ist Mitgliederversammlung von Aufgemuckt, dann wird darüber entschieden."

Seit zehn Jahren kämpft der Attachinger um seinen Heimatort, für ihn und seine Mitstreiter ist das nur eine von vielen Niederlagen. Kampfgeist hat er immer noch, auch wenn sich sein Verhältnis zu seinem Heimatland in der Zeit tief greifend verändert hat: "Wenn man sieht, wie der Staat mit den Menschen umgeht, das macht schon was. Ich schäme mich inzwischen, ein Bayer zu sein, denn das hier ist eine Bananenrepublik - und ich war ein stolzer Bayer." 46 Tage sei er bei den Verhandlungen des Münchner Verwaltungsgerichts gesessen, seinen ganzen Jahresurlaub hat der 58-Jährige dafür verwendet. "Wenn man dieses Schauspiel miterlebt hat, dann weiß man, dass man auf juristischem Weg keine Chance hat", sagt er.

Immerhin, finanzielle Schäden hat er als Privatkläger nicht, die Kosten trägt die Schutzgemeinschaft, in der auch Anrainerkommunen sind. "Das könnte ich mir nicht leisten, allein das Beschwerdeverfahren in Leipzig hat 15 000 Euro gekostet", sagt Grüll. Der Weg zum Europäischen Gerichtshof, den der Bund Naturschutz erwägt, stünde ihm als Privatkläger nicht offen, es bliebe, wenn überhaupt, nur das Bundesverfassungsgericht. Grüll aber setzt, wie die Mitstreiter der anderen Bürgerinitiativen, auf die politische Schiene: "Der Münchner Bürgerentscheid ist unser Faustpfand."

Ansonsten warten die Startbahngegner auf die Eröffnung des Berliner und Istanbuler Flughafens. "Dann", sagt Grüll mit einem Grinsen, "kann Kerkloh mit seiner dritten Startbahn einpacken, denn er wird Probleme haben, die zweite voll zu kriegen. Die kann er dann vielleicht an Rollerblader vermieten."

© SZ vom 16.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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