Eine besondere Patenschaft:Vom Abtauchen und Verschwinden

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Das Leben auf einem U-Boot ist fern jeder Romantik. Am besten man vergisst die Verfilmung von Lothar-Günther Buchheims Roman. Wer drei Wochenunter Wasser bleiben kann, muss psychisch stabil und sozial gestählt sein - wie die Delta-Mannschaft

Von Astrid Becker

Starnberg/Eckernförde - Es gibt Momente im Leben, in denen man hoch hinaus will - um am Ende ganz unten zu landen. Das ist normalerweise eine persönliche Katastrophe. Im Fall von Leonie Jaskowski jedoch verhält sich das anders. Schon als Neunjährige war sie sich hundertprozentig sicher, eines Tages als Astronautin zu arbeiten. Der Film "Star Trek", das war es, was sie so sehr faszinierte. Heute jedoch fliegt sie nicht ins All, sondern fährt zur See - oder besser gesagt: unter See. Denn Leonie Jaskowski gehört als Oberstleutnant zur deutschen U-Boot-Mannschaft Delta. Und das beeindruckt die Starnberger Delegation, die am vergangenen Wochenende zum Marinestützpunkt Eckernförde an der Ostsee gereist ist, mindestens so sehr wie der Tauchgang mit dem U-Boot selbst.

Da ist beispielsweise allein der Einstieg in so ein U-Boot anzuführen. Nicht schwindelfreien Menschen kann es bereits hier arg schwindlig werden. Denn in gewisserweise tritt man ins Leere, die jeweils nächste Leitersprosse ist von oben betrachtet nicht zu sehen. Das ist vielleicht auch ganz gut so, denn schließlich geht es ja ein paar Meter hinab. Also ist langsames Sich-nach-unten-Tasten angesagt. Dort, erleichtert angekommen, sticht einem ein alles andere als gemütlich-heimeliges Ambiente ins Auge. Wohin der Blick auch fällt, sind nur Kabel, Schläuche, Ventile, Klappen und sonstiges technisches Gerät zu sehen. Jeder Quadratmillimeter ist hier ausgenutzt, um alles unterzubringen, was so ein hochmodernes U-Boot funktionstüchtig macht. Zum Beispiel die Kojen, gerade einmal zehn davon kann die Delegation entdecken - zu der auch der Zweite Bürgermeister der Stadt, Klaus Rieskamp, die Stadträte Franz Heidinger, Anton Summer und Michael Mignoli gehören. Letzterer liegt einfach mal Probe: "Ganz schön eng hier", befindet er. Tatsächlich besteht die Mannschaft "Delta" aus 28 Menschen, die sich diese vielleicht 60 Zentimeter breiten Betten teilen. Denn geschlafen und gearbeitet wird in Schichten - täglich jeweils fünf Stunden. "Wenn wir aufstehen, rollen wir den Schlafsack des Kollegen aus, damit der sich ins gemachte Bett legen kann", erzählt Leonie Jaskowski in einem Tonfall, der so klingt, als wäre das das Normalste der Welt. Privatsphäre oder gar irgendwelche Sonderrechte, die ihr als Frau eingeräumt werden könnten, gibt es nicht. Nur das Duschen ist eine Ausnahme: "Da dürfen wir die Tür abschließen - anders als die Männer."

Zwei solcher Waschräume gibt es an Bord, das Wasser dafür stammt aus einem Frischwassererzeuger. Wassermangel herrscht also - anders als in früheren U-Boot-Modellen - nicht. Theoretisch gäbe es sogar einen Geschirrspüler in der Küche, doch die Mannschaft erledigt den Abwasch dennoch per Hand. Aus einem einfachen Grund, den später Navigator Christian Schütt verrät: Wenn das U-Boot in die Tiefe abtaucht, dann senkt sich auch das Bug des Schiffes nach unten - bei einer Neigung, die Geschirrspüler oder Waschmaschine nicht verkraften würden. Daher gibt die Mannschaft ihre Schmutzwäsche auch in jedem Hafen in eine Wäscherei. Doch das kann manchmal dauern. So ein U-Boot der Klasse 212 A kann bis zu drei Wochen unter Wasser verschwinden. Welche Tiefen es dabei erreicht, ist streng geheim. Nur eines ist klar: Mehr als damals, zu Lothar-Günter Buchheims Zeiten als Kriegsberichterstatter, die er in seinem Roman "Das Boot" verarbeitete, werden es wohl sein. Damals war von einer Tauchtiefe von etwa 150 Metern die Rede, die der damalige U-Boot Typ locker verkraftete. Bei mehr als 200 Metern allerdings wurde es kritisch - und auch heute gibt es sie noch, die sogenannte Zerstörungstiefe: "Das ist dann so, als ob eine Colabüchse mit der Hand zerdrückt wird", sagt Korvettenkapitän Kai Nickelsdorf, der als Chef der "Delta" die Starnberger Delegation zur Tauchfahrt mitnimmt. Allerdings nicht auf das U 34, für das die Kreisstadt mittlerweile offiziell die Patenschaft hat, sondern auf U 33.

Überhaupt hat sich diese Form der Patenschaft, die bis ins Jahr 1964 zurückreicht, längst überholt. Denn nach der Bundeswehrreform hat sich auch in der Marine einiges geändert. Bis dahin war jede Mannschaft einem bestimmten U-Boot zugeteilt, mittlerweile jedoch müssen sie die Boote wechseln. In Wahrheit also hat Starnberg mittlerweile eine Patenschaft für die U-Boot-Mannschaft "Delta", die im vergangenen Jahr auch in der Kreisstadt zu Gast war.

Leonie Jaskowski war damals allerdings noch nicht dabei. Sie hat ihren Dienst als Wachoffizier erst im vergangenen Jahr angetreten - nach einer Ausbildung von sechs Jahren, die ziemlich hart gewesen sein muss. Erst ein Jahr militärische Ausbildung, dann ein Studium der Volkswirtshaft an einer der beiden Bundeswehruniversitäten, dann noch einmal ein Jahr "militärische Resozialisation" - wie dieser Teil der Ausbildung intern bei der Marine genannt wird. Erst danach beginnt die eigentliche Ausbildung zum U-Bootfahrer, sechs Monate in der Theorie, drei Monate im Simulator.

Wie es jedoch wirklich ist, Wochen oder Monate auf einem U-Boot zu verbringen, erfahren die Anwärter erst bei ihrer dreiwöchigen Prüfungsfahrt. Leoni Jaskowski erzählt in der Messe von U 33 davon, während sie den Starnbergern zeigt, wie man Schwimmwesten anlegt. Bei den Feuerwehrlern und Wasserwachtlern, die mit dabei sind (Christian Klint, Michael Falk, Robert Wallner und Günter Zweck) sieht das recht professionell aus, alle anderen starren lieber gebannt auf die attraktive Offizierin statt irgendwelche Laschen durch irgendwelche Ösen zu ziehen.

Nachvollziehbar ist das: Schließlich berichtet die 27-Jährige von absolutem Schlafentzug in dieser Zeit: Maximal drei Stunden am Stück seien ihnen gewährt worden. Das muss nicht nur der Körper verkraften, sondern auch die Psyche. Und die muss stabil sein bei einem Job wie diesem. Reibereien und Streit, die überall und immer auftreten, wenn zu viele Menschen zu dicht aufeinander treffen, wären hier kontraproduktiv. Das verstehen selbst diejenigen in der Delegation, die in Soldaten bislang reine Befehlsempfänger ohne eigenen Willen gesehen haben.

Ohne Einfluss auf das Privatleben bleibt diese Art der Disziplin nicht. "Meine Freundin schimpft manchmal, weil man mit mir nicht über so typische Dinge wie eine nicht zugedrehte Zahnpastatube streiten kann", sagt Korvettenkapitän Nickelsdorf dann auch. Überhaupt begegnen sich die Deltarianer mit sehr großem Respekt voreinander, aber auch sehr großer Vertrautheit. Kein Wunder: Sie ertragen sich auf See auch unrasiert und in T-Shirt und Jeans, längst herrscht dort -bei den Tauchgängen unter Wasser - keine Uniformpflicht mehr.

Nur mitnehmen können sie nicht viel, nur ein kleiner Rucksack ist erlaubt. Das gilt auch für Frauen wie Leonie Jaskowski. Aber sie stört das nicht. "Im All", sagt sie, "wäre das ja wohl auch nicht anders."

© SZ vom 25.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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