Aufgeschlagen:Ritt übers Wasser

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"Zum Ammersee!", Miniaturen von Gerd Holzheimer und Fotos von Volker Derlath. Allitera Verlag, 2015, 206 Seiten, 14,90 Euro. (Foto: Georgine Treybal)

Mit Gerd Holzheimer rund um den Ammersee

Literarischer Landvermesser? Klingt nach einem Widerspruch, weil das eine doch sehr sachlich ist und das andere nicht. Gerd Holzheimer nennt sich so, er hat Sinn für Widersprüche, und letztlich meint der Begriff wohl auch nur, dass da einer auf der Suche nach Menschen und Geschichten durch die Gegend zieht, wie es ihm beliebt, und am Ende Lesenswertes hinkriegt. Nun hat sich der Gautinger Schriftsteller "Zum Ammersee!" aufgemacht, und wer einen Reiseführer samt Einkehrtipps erwartet, ist selber schuld. Klar, in dieser elegant und kenntnisreich geschriebenen, oft sehr witzigen Sammlung von Miniaturen kommen das Marienmünster vor, Kloster Andechs und die besten Fischsemmeln Herrschings. Doch das Ganze ist im Wesentlichen eine Erkundungsreise für Kulturbeflissene, ein Ritt übern Bauernsee. Mit gutem Recht, denn es ist schon bemerkenswert, wer sich dort so alles niedergelassen hat: Orlando di Lasso und Carl Orff, Christian Morgenstern, Thomas Mann, Bertolt Brecht und die Gruppe 47, Charles Lindberg. Leo Putz, Olaf Gulbransson und Georg Baselitz.

Holzheimer watet dabei nicht nur durch klares Wasser. Er lässt auch die braunen Pfützen nicht aus, ob er nun Simplicissimus-Zeichner oder Luise Rinser porträtiert. Gelegentlich verlässt er auch den Weg und hängt an der alten Tankstelle in Grafrath ab oder widmet einer wundersamen Buchhandlung eine Liebeserklärung. Schlenker wie der zum Raistinger Kornfeld, in dem mutmaßlich die Außerirdischen gelandet sind, und zum Hammondorgelspieler auf einem der Ausflugsdampfer gehören zu den vergnüglichen Satiren dieses Kompendiums. Denn Holzheimer, dessen wichtigstes Instrument die Dialektik ist, hat Sinn für Absurdität und Komik. Im Fall des lärmenden Musikers oder besser Nichtmusikers erörtert er mit einem Nachbarn, der zufällig Polizist ist, ob nicht ein Blattschuss für Ruhe sorgen könnte.

Gut, der Autor gerät auch mal ins Fabulieren und verheddert sich in Redundanz. Oder er schreibt von Zweigerl, Asterl und Vogerl, was nur Helmut Zöpfl darf, und der im Grunde auch nicht. Zu Baselitz fällt Holzheimer dafür nicht viel ein. Zu Thomas Müller, dem FC-Bayern-Spieler, auch nicht. Die müssen halt vorkommen. Monika Drasch, die Ex-Geigerin des Bayerisch-Diatonischen Jodelwahnsinns, müsste nicht, kommt aber vor. Und das Kloster? Wäre da nicht in dem Umstand, dass die Abtei so oft Prozesse führt, auch ein menschlicher Widerspruch zu entdecken gewesen? Kann sein. Aber ansonsten ist das eine Stärke dieses Buches, das mit grafisch raffinierten Fotos von Volker Derlath illustriert ist: dass der Landvermesser sehr menschlich mit seinem Personal umgeht.

© SZ vom 23.06.2015 / sum - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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