Starnberg:Katholiken proben den Aufstand

Lesezeit: 2 min

Massive Proteste gegen die geplante Abschaffung der Pfarrgemeinderäte: "Es gibt erheblichen Ärger".

Gerhard Summer

StarnbergIn Teilen des Bistums Augsburg gärt es. Pfarrgemeinderäte von Söcking bis Tutzing fühlen sich übergangen. Ordensschwestern, die noch nie in ihrem Leben demonstriert haben, gehen zur Protestaktion "Kirche umarmen". Und ältere Katholikinnen aus Seefeld schlagen in einem persönlichen Brief an Bischof Konrad Zdarsa einen Ton an, der vor Jahrzehnten noch als undenkbar gegolten hätte. Von unerträglicher Ignoranz und Missachtung den Gläubigen gegenüber ist da die Rede. "Das Maß ist voll, und wir sind es leid, von sogenannten höher gestellten Personen in der römisch-katholischen Kirche gemaßregelt und dirigiert zu werden", heißt es in dem Schreiben. Katholiken proben den Aufstand, weil sie sich nicht damit abfinden wollen, wie die Diözesanleitung eine wegen des Priestermangels ersonnene Reform verordnen und mit einschneidenden Änderungen verknüpfen will. Denn die "Pastorale Raumplanung 2025" für das Bistum sieht neben größeren Pfarreigemeinschaften die Abschaffung der Pfarrgemeinderäte vor; sie sollen durch "einen aus Delegierten bestehenden Pastoralrat" ersetzt werden. Und Bischof Zdarsa und seine Berater wollen keine von Laien und Diakonen abgehaltene Wortgottesfeiern mehr, die rund um den Starnberger See zur Einrichtung geworden sind. Was bedeutet, dass sich auch weniger mobile, ältere Leute künftig an Sonntagen zu der Kirche im vergrößerten Verbund aufmachen müssten, in der ein Pfarrer einen Gottesdienst hält, wie der Tutzinger Pfarrgemeinderat Helmut Lechner sagt. Seinen Angaben nach ist der Reformstreit in der Erzdiözese München-Freising, zu der im Landkreis Aufkirchen, Höhenrain, Wangen, Percha sowie Gauting, Gilching und Stockdorf gehören, viel verhaltener. Denn dort werde der Dialog mehr gepflegt. Hunderte Mails sind bei der Presseabteilung des Bistums Augsburg eingegangen. Sprecher Markus Kremser sagt: "Die Zustimmung überwiegt bei weitem." Ihm zufolge verfügt die Diözese derzeit über 537 Priester, 366 davon sind Pfarrer. Für 2025 prognostiziert das Ordinariat, dass nur noch 200 "echte Pfarrer" für die Leitung einer "Seelsorgeeinheit" zur Verfügung stehen werden. Außerdem machen der Diözese die Austritte zu schaffen. 1990 gab es im Bistum 1,6 Millionen Katholiken, 2010 waren es noch 1,3 Millionen. Ernst Lindl, Mitglied der Kirchenverwaltung Tutzing, konstatiert hingegen: "Es gibt erheblichen Ärger." Schließlich gehe es um die Existenz und Selbständigkeit der Pfarreien, und bei Zusammenlegungen stelle sich immer die Frage, wo der Hauptsitz sein soll - "da kommt man vom Hundertsten ins Tausendste". Lindls Ansicht nach ist der Protest gegen die Reform weit mehr als ein Strukturstreit: "Da staut sich etwas auf, das seit 30, 40 Jahren diskutiert wird", nämlich die Frage, wie zeitgemäß Kirche sein muss und ob beispielsweise der Zölibat noch Sinn hat. Trotz allem denke er, dass es sich die Diözesanleitung zu leicht mache mit der Forderung: "Setzt euch ins Auto und fahrt zur Messe." Auch "täte mehr Kommunikation gut", sagt Ernst Lindl. Und richtig wäre es auch, Priester von Verwaltungsaufgaben zu entlasten. Der Tutzinger Pfarrer und Regionaldekan Peter Brummer sagte, 25 000 Menschen hätten sich in der Diözese an der Aktion "Kirche umarmen" beteiligt. Das sei ein "deutliches Stimmungsbild". In Tutzing werde die Frage, wie es mit anderen Pfarreien weitergehen soll, natürlich mit mehr Sorge diskutiert als etwa im nicht so betroffenen Starnberg. Deshalb gebe es in seinem Heimatort den starken Wunsch, die Entscheidungen mit zu verantworten, so Brummer.

Protest gegen Reformpläne, Kirche umarmen (Foto: privat)
© SZ vom 07.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: