Starnberg:Appell an die Vernunft

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Im Undosa wird über Starnbergs Lieblingsthema debattiert - den Verkehr. Die Diskutanten sind sich weitgehend einig: Der Tunnel kann nicht alle Probleme lösen, aber einige.

Peter Haacke

Vollbesetztes Podium: Der Verein "Umweltbewusste Verkehrsentlastung Starnberg" ließ im Undosa Experten und Politiker zum B2-Tunnel zu Wort kommen. Foto: Fuchs (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Es ist das Thema, über das sich in Starnberg wohl am besten streiten lässt: Tunnel oder Umfahrung. Seit rund 25 Jahren geistert das Projekt durch die Stadt, befeuert Debatten im Stadtrat, am Stammtisch und auf der Straße, doch passiert ist bislang nichts - abgesehen vom Umstand, dass sich die Situation in der Kreisstadt im Lauf der Jahre mit Zunahme des Verkehrs drastisch verschärft hat. Nach Jahren des Stillstands aber scheint es nun voran zu gehen: Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer hat den Starnbergern Mitte Juni für 2014 einen vorgezogen Start zum Bau des B2-Tunnels zugesagt. Zeitlich passend dazu lud der Verein "Umweltbewusste Verkehrsentlastung Starnberg" am Donnerstag zur Podiumsdiskussion ins Undosa ein. Motto der Veranstaltung: "Experten und Politiker bekennen Farbe: B2-Tunnel contra Umfahrung".

Immerhin zehn Teilnehmer hatte Vereinsvorsitzender Jürgen Busse zur Diskussion vor rund 220 Zuhörern aufs Podium eingeladen, darunter Toni Hofreiter (Grüne): Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag erntete den größten Applaus des Abends für seinen Appell an die Starnberger, im Hinblick auf den B2-Tunnel nicht mehr zu streiten: "Es lohnt sich in der Regel nicht", sagte der Parlamentarier, "es lähmt die Energie in einer Stadt". Wenn sich die Bewohner einer Stadt über ein derartiges Vorhaben komplett zerstreiten, "sagt das Ministerium: Das ist 'ne Supersach'", erklärte Hofreiter - und profitieren würden davon andere Kommunen.

Im Vordergrund der knapp dreistündigen Veranstaltung stand eindeutig die Information. Nacheinander referierten Ministerialrat Thomas Linder (Oberste Baubehörde), Professor Harald Kurzak (TU München) und Unternehmensberater Heinz Zettl (Steinbacher Consult) über Vor- und Nachteile von Tunnel und Umfahrung; hinzu kam ein Referat über den seit zehn Jahren existierenden Tunnel in Landshut, der dem Bauvorhaben in Starnberg ähnelt. Die jeweiligen Schlussfolgerungen indes fielen zu Gunsten des Tunnels aus; eine Umfahrung sei unter den gegebenen Voraussetzungen nicht zu verwirklichen. Abgesehen davon hätte eine Umfahrung erheblich weniger Entlastungseffekte als der bereits planfestgestellte und baureife Tunnel.

Linder skizzierte die Chronologie der vergangenen 25 Jahre des voraussichtlich 162 Millionen Euro teuren Projekts und verdeutlichte dabei auch die Wichtigkeit des B2-Tunnels im Zusammenspiel mit anderen Vorhaben wie Maxhof-Kreisel, Westtangente oder der bereits verwirklichten Umgehung von Ober-/Unterbrunn. Professor Kurzak, der sich schon seit 1989 intensiv mit dem Verkehr in Starnberg befasst, präsentierte Zahlen: Rund 46 000 Fahrzeuge würden zu Spitzenzeiten in Starnberg an der Münchner Straße gezählt, immerhin 18 000 an der Weilheimer Straße im Süden der Stadt, und bis zu 25 000 auf der Hauptstraße. "Alles ist in Richtung München unterwegs", sagte Kurzak, "und das ist ihr Problem". Sämtliche Prognosen rechnen mit einer Zunahme des Verkehrs rund um die Boomregion München - und damit auch in Starnberg. Sein Urteil: "Der Tunnel ist die richtige Lösung." Unternehmensberater Zettl präsentierte das Ergebnis einer Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2009 zur Realisierung von ortsnahen und -fernen Trassen. Elf Varianten hatte sein Büro ausgearbeitet und dazu eine "Gesamtschau aller Schutzgebiete" erstellt. Dabei waren Wasserschutz- und Überschwemmungsgebiete im Norden Starnbergs ebenso berücksichtigt worden wie Landschafts-, Vogelschutz- und FFH-Gebiete sowie Feuchtbiotope. Sein Urteil war ebenfalls eindeutig: "Solange es Alternativlösungen gibt, kann man ein FFH-Gebiet nicht durchschneiden."

Auch von politischer Seite fielen die Stellungnahmen allesamt zu Gunsten des Tunnels aus. Hofreiter berichtete von seinen Erfahrungen aus dem Verkehrsausschuss und stellte fest: "Die Gestaltung Starnbergs ist erheblich einfacher, wenn Sie den Durchgangsverkehr rausbekommen. Die Alternativen seien eindeutig: "Entweder Sie bekommen den Tunnel - oder sehr, sehr lange nichts." Bundestagsabgeordneter Klaus Barthel (SPD) nutzte sein Statement zur Abrechnung mit der Bundesregierung, setzte aber auch "Prioritäten auf den B2-Entlastungstunnel". Vize-Landrat Albert Luppart (Freie Wähler) erinnerte an die Debatte um die Pöckinger Umfahrung ("Wir hätten jeden Strohhalm genommen, um den Verkehr herauszubekommen"), und Ute Eiling-Hütig (CSU) verbindet mit Starnberg nur eines: "Stau, Stau, Stau". Starnbergs Bürgermeister Ferdinand Pfaffinger betonte: "Der Tunnel löst zwar nicht alle unsere Probleme, aber er entlastet uns" - und dies sei "besser als nichts".

Nur wenig Raum blieb der angestrebten Fragestunde - unter erschwerten Bedingungen, denn ein zweites Mikrofon fehlte. Unter charmanter Moderation von Grünen-Landtagskandidatin Martina Neubauer wurden Tunnelbauzeit, Verkehrszahlen, Abluftprobleme, Gesundheitsbelastung, Wertigkeit der Ramsauer-Zusage nach den Bundestagswahlen oder geänderte Mehrheitsverhältnisse ab 2014 im Stadtrat kritisch hinterfragt. Pfaffinger dazu: "Hoffen wir darauf, dass auch ab 2014 die Vernunft im Stadtrat die Mehrheit hat".

© SZ vom 06.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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