Seefeld:Opera in blue

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"Der Freischütz" wehrt sich gegen Jazzharmonik

Von Reinhard Palmer, Seefeld

Carl Maria von Weber stammt aus Eutin, seine Mutter Genovefa aus Marktoberdorf. Das habe zu einer Städtepartnerschaft und dem gewagten Unternehmen geführt, die Oper des Komponisten "Der Freischütz" in eine Fassung für einen Erzähler und ein Jazztrio ("Swing Frei, Schütz") zu übertragen. So erklärte es im Schloss Seefeld der renommierte und hochdekorierte Jazzmusiker und -pädagoge Harald Rüschenbaum, der in Marktoberdorf das Landes Jugend-Jazzorchester leitet.

Die Erklärung war wichtig, um zu verstehen, warum es sich jemand antut, den Inbegriff deutscher Romantik mit Jazz zu verbinden. Literaturwissenschaftler und Historiker Wolfgang Griep aus Eutin hatte da schon die dankbarere Aufgabe: Er durfte gewitzt die bieder-naive Geistergeschichte mit dem schwarzen Jäger Samiel auf die Schippe nehmen, das Originallibretto kommt heute ja schon komisch genug rüber. Griep machte seine Sache eloquent, bisweilen geistreich, fast schon in der Manier Vicco von Bülows, wenn auch in den Pointen nicht gar so treffsicher. Die schwierigste Aufgabe hatte der Pianist Daniel Mark Eberhard übernommen. Nicht nur, weil er die Opernszenen arrangiert hatte, sondern weil ihm am Klavier im Trio mit Rüschenbaum am Schlagzeug und Andreas Kurz am Bass die tragende melodische Rolle zufiel. Kurz übernahm zwar immer wieder gezupft oder gestrichen den Gesang, vor allem in den mystischen Szenen, wenn nahendes Unheil die Stimmung trübt. Aber Eberhard hatte das harmonische Gerüst zu übertragen und ihm Füllsubstanz zu verpassen. Da war schon etwas Gewalt nötig, wenn sich süßliche Melodienseligkeit gegen Dur-fremde Töne einschleicht. Doch das Trio hatte den Mut, ein harmloses Liedchen weitgehend in der folkloristischen Originalgestalt zu belassen und nur sachte Rhythmik und Jazzharmonik einfließen zu lassen.

Kurz wagte es bisweilen, sich mit sperrigen Bass-Soli entgegenzustemmen, doch Webers Musik war unnachgiebig. Am besten funktionierte noch die Auslegung zum Blues, Boogie, Rock, Tango oder zu karibischen Klängen. Jedenfalls hatte Rüschenbaum reichlich zu tun, mit mächtigen Trommelattacken für Dramatik oder mit scharf geschnittenem Schlag für Temperament zu sorgen. Mühelos meisterten die Musiker die Aufgabe, etwa in der Wolfsschlucht Atmosphäre zu schaffen, notfalls griffen sie auf experimentelle Spieltechniken zurück. Das Publikum jubelte und bekam ein Potpourri populärer Melodien draufgelegt.

© SZ vom 28.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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