Seefeld:Kollektives Frühlingserwachen

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Den Bogen weit gespannt: Sänger der Carmina Viva München. (Foto: Nila Thiel)

Der Chor Carmina Viva München und Harfenistin Mirjam Weschle mit Musik zum Wonnemonat Mai in Seefeld

Von Reinhard Palmer, Seefeld

Kein anderer Monat ist so eng mit Gesang und Poesie verbunden wie der Mai. Als sich also das Ensemble Carmina Viva München unter dem Titel "Ce moys de mai" a cappella des "Erwachens von Natur und Liebe" im Sudhaus des Seefelder Schlosses annahm, ging es um einen uralten Topos. Allerdings ohne dass die künstlerische Leiterin Barbara Hennicke, die den Chor vor 31 Jahren gegründet hatte, ein abgedroschenes Programm zusammengestellt hätte.

Ganz im Gegenteil: Mit Werken englischer, französischer, italienischer und deutscher Musikliteratur war von vorneherein eine breitgefächerte Charakteristik sicher, mit Musik von der Renaissance bis zur Gegenwart in stilistischer Hinsicht noch üppiger differenziert. Weiter kann man den Bogen wohl kaum spannen - und das Programm für ein Chorkonzert nicht umfangreicher anlegen, sodass es der instrumentalen Ergänzung gar nicht bedurft hätte.

Die Einschübe verschafften den Choristen aber berechtigte Verschnaufpausen, darüber hinaus dem Programm Zäsuren, die einzelne inhaltliche Blöcke voneinander trennten. Mirjam Weschle an der Harfe lockerte mit spielfreudigen Kompositionen von Giovanni Pescetti, Ottorino Respighi und Domenico Scarlatti die Stimmung auf, setzte vor allem mit der andersartigen Klanglichkeit sowohl virtuos konzertant als auch lyrisch sinnierend satte Kontraste ins Programm.

Die Chorsätze an sich ergaben allerdings keinesfalls eine Monokultur, wechselte doch die musikalische Charakteristik unentwegt. Die Akustik im leider nicht ganz gefüllten, dadurch auch wenig vorteilhaften Raum des Sudhauses ist auf Kammermusik ausgerichtet. Weil sie keinerlei Nachhall hat, stellt sie für ein Laiensensemble in Sachen Präzision und Klangbalance eine große Herausforderung dar. In den tieferen Lagen und voluminösen Chorsätzen wie etwa im plastisch-melodiösen Lied von Brahms "All meine Herzgedanken", noch mehr im stimmungsvollen "Vineta" oder im anonymen, getragen wogenden spanischen Renaissance-Satz "Con que la lavaré?" funktionierte das Zusammenwirken im Klangkörper einwandfrei. Die reich polyphonen Chöre allerdings wie das Titellied "Ce moys de may" von Clément Janquin sowie Werke, die insbesondere auf klangliche Differenzierung durch verschiedene Kombinationen der Stimmlagen setzen, büßten bisweilen das runde, ausgewogene Gesamtklangbild ein. Sie gewannen dadurch aber im Gegenzug wiederum eine breite Palette an erfrischenden Klangfarben.

Seine Stärke spielte das 26-köpfige Vokalensemble vor allem in Sätzen aus, die eine gewisse Fokussierung auf Melodik und weit gesponnene Linien setzen. So etwa im sanft beschwingten "Now is the Month of Maying" vom Gentleman der Chapel Royal am Ende des 16. Jahrhunderts, Thomas Morley, im lyrisch galanten "Que augellin che canta" von Claudio Monteverdi oder im wogend dahinfließenden, ein halbes Jahrhundert älteren "Vous perdez temps" von Claudin de Sermisy. Auch die sprachliche Ausformung überzeugte, zumal in erzählerischen Chorsätzen, die vor allem der neueren Zeit entsprangen.

Hugo Distler komponierte mit freitonalem Mut das ausgedehnte Werk "Im Maien", das von Carmina Viva mit rhythmischer Präzision, heiterer Volkstümlichkeit und schließlich auch mit Sinn für musikalischen Humor umgesetzt wurde. Die Choristen schreckten vor Atonalität nicht zurück und nutzten gezielt die Chromatik der Rilke-Vertonung "Und dieser Frühling" vom anwesenden rumänischen Komponisten Lucian Beschiu (geb. 1986) fürs reiche Kolorit und besondere, inhaltlich changierende Atmosphäre. Das straff schreitende "Jungfrau, dein schön Gestalt" von Hans Leo Hassler belohnte sprachrhythmisiert als Wiederholungszugabe den begeisterten Applaus.

© SZ vom 16.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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