Sakrale Kunst:Die Geheimnisvolle

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St. Jakob in Schondorf gehört zu den Kirchen mit profanem Obergeschoss

Von Katja Sebald

Die Kirchenbauten des Fünfseenlands sind weithin bekannt, es gibt aber auch uralte, versteckte und weitgehend unbeachtete Kirchen, die spannende Geschichten erzählen können. Heute: St. Jakob in Schondorf - die Geheimnisvollste.

Generationen von Forschern haben sich am Geheimnis der Jakobskirche in Schondorf abgearbeitet: Über dem eigentlichen Kirchenraum gibt es dort noch ein weiteres Geschoss, dessen Funktion man sich nicht erklären konnte. Erst in jüngster Zeit konnte endgültig geklärt werden, dass solche Obergeschosskirchen im 12. Jahrhundert für die Gründung neuer Pfarr- und Dorfgemeinden im ländlichen Raum gebaut wurden und Schutzräume bei Angriffen boten.

Mehrmals modernisiert: Die in den Jahren zwischen 1149 und 1157 erbaute romanische Kirche St. Jakob. (Foto: Nila Thiel)

Die weitaus meisten der insgesamt 85 bekannten Kirchen mit einem solchen "Multifunktionsraum" liegen allerdings im Bistum Regensburg und somit im Herrschaftsbereich der Burggrafen von Regensburg. Für das weit entfernte Schondorfer Jakobskirchlein blieb also immer noch ein kleines Restgeheimnis übrig.

St. Jakob in Unterschondorf gilt als einer der besterhaltenen romanischen Sakralbauten im Alpenvorland. Die unverputzte Tuffsteinkirche steht auf einer kleinen Anhöhe am Seeufer und ist älter als die Fischersiedlung, die erst nach und nach zu ihren Füßen entstand. Die kleine, aber sehr hohe Saalkirche mit eingezogener Rundapsis im Osten entspricht ganz dem Bautypus der Obergeschosskirchen, ursprünglich hatte sie auch eine Westempore. Ihre aus Großquadern errichteten Umfassungsmauern sind so dick, dass sich darin eine von außen nicht sichtbare Treppe ins Obergeschoss verbergen kann. Als Baumaterial diente immer das Gestein der Umgebung, die damals noch neuartige Quadertechnik sorgte allerorten für Bewunderung. Typisch ist auch ein zusätzlicher Eingang in mehreren Metern Höhe, in Schondorf wurde er wie andernorts in späteren Zeiten zugemauert.

Eine Kopie des Maria-Hilf-Bildes von Lucas Cranach, das die Erzengel Michael und Gabriel flankieren. (Foto: Nila Thiel)

Von außen weist lediglich der kecke Dachreiter von 1750 darauf hin, dass die uralte Kirche im Laufe der Jahrhunderte mehrmals modernisiert wurde. Der Hochaltar mit dem zweisäuligen Aufbau, seitlichen Muschelkonsolen und dem von Engeln flankierten Giebelauszug stammt aus dem 17. Jahrhundert. Seine farbig gefassten Holzfiguren kommen aus der Weilheimer Degler-Werkstatt: Der Kirchenpatron wird von der heiligen Katharina und dem heiligen Paulus flankiert. An der Westwand hängt in einem üppigen Rokokorahmen eine Kopie des berühmten Maria-Hilf-Bildes von Lucas Cranach. Ein wertvolles romanisches Holzkruzifix aus dem 13. Jahrhundert wurde während des Zweiten Weltkriegs aus dem Kirchlein gestohlen und tauchte nie wieder auf. Als Ersatz kam 1969 durch eine Stiftung ein Kruzifixus aus der Andechser Gegend in die Kirche, er stammt ebenfalls aus der Zeit um 1200.

Der Hochaltar von St. Jakob. (Foto: Nila Thiel)

Was aber hatte nun Schondorf mit den Burggrafen von Regensburg zu tun? Als weltliche Machthaber der Stadt waren sie unter anderem für die Sicherung der Verkehrswege zuständig - und waren wohl auch am Bau der berühmten Steinernen Brücke beteiligt, die 1146 als Wunder der Baukunst gefeiert wurde. Mit derselben Gründlichkeit und technischen Raffinesse gingen sie vor, um ihre Herrschaftsgebiete zu erschließen und mittels Dienstmannen möglichst engmaschig zu verwalten.

An sorgfältig ausgewählten Orten ließen sie deshalb steinerne Schutzkirchen mit profanem Obergeschoss bauen, der zugehörige Ministerialensitz sollte später folgen. In den Archivalien des Dießener Klosters hat sich für St. Jakob eine Baunachricht erhalten: Sie wurde als Eigenkirche des Grafen Heinrich von Wolfratshausen und Dießen von dessen Ministerialen Konrad zwischen 1149 und 1157 erbaut. Und tatsächlich war Graf Heinrichs Vater ein Vetter des Burggrafen Heinrich III. von Regensburg, der vermutlich den Bau der Kirche als sichere Station auf der Reiseroute in seine Alpenlehen veranlasst hatte. Allerdings erlosch das Grafengeschlecht bereits 1157, der Gesamtbesitz mit der Kirche von Schondorf fiel an das Kloster Dießen.

Direkt an der Kirchenmauer von St. Jakob kann man mit schönstem Seeblick im Biergarten des Gasthofs "Seepost" sitzen (Homepage unter www.seepost-ammersee.de, kein Ruhetag), der im Jahr 1874 als "Gasthof zur Post" eröffnet wurde und für die große Geschichte des kleinen Orts steht: Hier verliebte sich 1875 der Maler Wilhelm Leibl in die schöne Wirtstochter. Aber die kleine Gemeinde Schondorf am Westufer des Ammersees hat noch viel mehr zu bieten: Es gibt Strandbäder und eine ganze Reihe von Cafés, der Ammersee-Skulpturenweg führt am See entlang nach Eching und verweist auf die bis heute lebendige Kunstszene der Region. Immer einen Besuch wert ist auch die Werkstatt von Regine Hohmann am Kalkbrünnerlweg: Die Keramikerin fertigt bezaubernd filigranes Geschirr und Lampenschirme aus Porzellan. Telefonische Voranmeldung unter der Nummer 08192/ 7542 oder der E-Mail reginehohmann@t-online.de ist empfehlenswert.

© SZ vom 12.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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