Mitten in Seeshaupt:Bsssss, Bsssss

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Die kleinen Plagegeister sind wieder da. Die Stechmücken haben aber einen Vorteil: Der Ort ist sehr leer und fast erholsam

Von Peter Haacke

Jetzt geht das wieder los: Bssss, bssss summt es, und zack - so ein verdammtes Viech. Nein, das ist kein Spaß mehr, und selbst gläubige Christen rätseln darüber, was sich der Herrgott dabei dachte, als er unter all seinen wunderbaren Geschöpfen ausgerechnet die Stechmücke ersann. Bei allem technischen Fortschritt ist die Menschheit zwar in der Lage, auf den Mond zu fliegen. Aber gegen Mücken hat niemand ein Mittel erfunden, das die Plagegeister verschwinden ließe. Der Erfinder einer derartigen Innovation wäre schlagartig Milliardär. Und wer jemals eine Nacht gemeinsam mit einem gefräßigen Moskito verbringen musste, wird alle mühsam erworbenen humanistischen Leitbilder zur Würde des Tieres leichtherzig über Bord werfen: Der Respekt vor der Kreatur weicht unverhohlener Mordlust angesichts juckreizender Beulen.

Nun sollte man wahrlich nicht aus jeder Mücke einen Elefanten machen. Aber so ein geflügelter Blutsauger, der überdies nur selten allein daherkommt, hat auch aufs soziale Zusammenleben der Menschheit Einfluss - und lässt totalitäre Pläne reifen. Unlängst erst sinnierte man etwa in Mannheim in der Rheinebene, wo die Plage ja noch viel schlimmer sein soll, durchaus ernsthaft über ein wirksames Mittel gegen Schnaken. Eine Expertenanalyse empfahl: Entweder verwandeln wir die Region in eine lebensfeindliche nukleare Wüste und töten so die gesamte Mückenpopulation auf einen Schlag. Oder wir treten den Rückzug unter die Erde an und warten in riesigen Bunkern, bis die Plage in ein paar Monaten wieder vorüber ist.

Das mag in Mannheim vielleicht funktionieren. Für Seeshaupt aber ist das keine Lösung - auch wenn das beliebte Ausflugsziel am Sonntag bereits einem Geisterort glich: Bestenfalls ein paar unbedarfte Münchner in T-Shirts und Shorts flüchteten eilenden Fußes vor den blutrünstigen Monstern ins Auto. Und auch im Eisladen ein Bild der Verzweiflung. Wild um sich fuchtelnd bestellten Kunden in Dirndl und Krachledernen ihr Eis, während die bereits jammervoll zerstochene Bedienung mit gequältem Gesichtsausdruck mürrisch Kugeln in die Waffeln presste. Die Einheimischen aber machten das Beste aus der ganzen Sache - und blieben einfach daheim.

© SZ vom 16.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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