Mitten in Weßling:Gedämpfte Faszination

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Da wird die Landschaft von einer Straße zerschnitten - und die Leute sind einfach nur neugierig

Von wolfgang prochaska

Wahrscheinlich kann sich jeder noch an seine Kinderzeit erinnern, als man entweder Lokführer oder Astronaut werden wollte. Letzterer Berufswunsch war natürlich der Raumfahrt geschuldet, der Mondlandung und dem Sputnik. Irgendwie wollte man verwegen sein, und die Astronauten waren die Cowboys der Neuzeit. So schön war einmal der Fortschritt. Der Berufswunsch Lokführer hingegen entwickelte sich meist mit der wachsenden Größe der Modelleisenbahn. Wenn man vier Züge unfallfrei zur gleichen Zeit auf der Anlage fahren lassen konnte, die Signale und die Weichen perfekt bediente, war völlig klar, dass man auch echte Lokomotiven steuern konnte. Man hatte ja Talent. Und wenn alle Stricke reißen sollten, blieb immer noch der Baggerführer als Wunschjob.

Nur so ist zu verstehen, dass der Bau der Weßlinger Umfahrung zum Ausflugsziel vieler Familien aus der näheren Umgebung geworden ist. Es soll auch Baustellenbeobachter geben, die täglich kommen. Die kennt inzwischen auch der Bauleiter. Nun muss man wissen, dass die Baustelle auch wirklich alles umfasst, was große und kleine Kinderherzen höher schlagen lässt. Da wird nicht nur eine Straße gebaut, es werden ja auch Tunnel und Unterführungen gebohrt und gegraben: 42 sind es für die Amphibien, einer für die Radfahrer, dazu kommt noch eine Brücke für die Bahn. Herz, was willst du mehr! Und so stehen dort Radfahrer und diskutieren die Baufortschritte, schauen den Traktoren nach, die mit ihren voll beladenen Anhängern über die grob planierte Trasse fahren, um im Norden, am Ende der Umfahrung, die erdige Last auszukippen. Es staubt heftig. Einen Makel hat die Sache: Eine schöne Landschaft wird für eine Straße geopfert. Da wird die Faszination schon gedämpft.

© SZ vom 10.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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