Mitten in Starnberg:Was Hexen heute fahren

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Die Aufkleber an Autos sind verschwunden. Warum nur?

Von Gerhard Summer

Was ist nur aus den guten alten Trampern geworden, die früher am Mittleren Ring standen oder direkt an der Auffahrt zur Autobahn Salzburg? Zuversicht im Blick und Pappkartons in der Hand, auf denen stand: "Salzburg", "Brenner", "Gardasee". Ja gut, viele sind schon damals nicht mitgenommen worden. Sie dürften sesshaft geworden sein in Ramersdorf und dort mehrere italienische Lokale, eine Postagentur und ein kunterbuntes Café eröffnet haben. Einige täuschten sich auch in der Richtung, und das zu ihrem Vorteil: Sie landeten in Starnberg und wurden dort Millionäre, etwas anderes kann man in dieser Stadt gar nicht werden. Damals war eben vieles möglich, die Welt stand sperrangelweit offen. Und so kam es zu den schönsten Karrieren. Vom Kriminalhauptkommissar zum Landrat! Vom Hallodri zum Chefredakteur! Und vom Juristen zum großen Firmenaufkäufer! Das ist natürlich lange her, und insgesamt muss man sagen: Der Tramper ist genauso wie der Hallodri so gut wie ausgestorben.

Ähnlich verhält es sich mit dem Aufkleber am Autoheck. Ach, wie lustig war das, hinter Wagen herzufahren, auf denen Gasolin-Männchen und Anti-Atomkraft-Zeichen prangten. Oder zu lesen war: "Ich bremse auch für Männer", "Mein Auto lebt", oder "Entschuldigung, dass ich so dicht vor Ihnen herfahre". Klar, das war nicht immer große Literatur auf Rädern, zuweilen pubertierte "Kevin on Board" bereits, und Opa fuhr noch mit dem "Born to be wild"-Sticker durch die Lande. Aber immerhin: Der Autofahrer trug nach außen, was ihn im Innersten bewegte. Heute hat er Facebook und sammelt allenfalls Vignetten an der Frontscheibe. Und so kommt es, dass die Ausbeute langer Fahrten zwischen Starnberg und dem Münchner Osten kläglich ausfällt: ein einziger Tramper an der Autobahn Salzburg, ein paar Autos mit dem dezenten Starnberger-See-Aufkleber, der aussieht, als wäre ein Stück Lack abgeblättert. Ein Transporter mit der Aufschrift "Molocher", aber das ist nur der Name eines fleißigen Malers. Und ein einziges Auto mit einigermaßen heiterem Aufkleber vor dem Luise-Kiesselbach-Platz. Der Spruch: "Früher hatten Hexen Besen, heute fahren sie Peugeot". Am Steuer: Landrat Karl Roth. Nein, stopp, war eine optische Täuschung.

© SZ vom 15.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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