Die Zeichen sind unmissverständlich, die Sommerferien sind in vollem Gange. Was man bei manchen Menschen vor allem an ihren hochroten Köpfen bemerkt. Das gilt jedoch nicht nur für all jene, die noch keine Strandfigur besitzen und deshalb mit Vehemenz und jeglicher Hitze zum Trotz zum Endspurt ansetzen. Sondern vor allem für diejenigen, die dabei unaufgeklärt zuhören müssen.
Aber von vorne: Die Geräusche, die da abends aus der Nachbarwohnung drangen, waren mehr als eindeutig: Das rhythmische Knarzen der Holzdielen ob der Körperbewegungen, das immer stärker anschwellende Stöhnen und Keuchen, und schließlich die deutlichen, immer druckvolleren Ansagen: "Ja, ja. . . genau so! Gib alles!" Da half kein Lauterdrehen des Fernsehers, kein Übertönen mit der panisch herausgekramten E-Gitarre samt Verstärker. Was blieb, war schamesrotes Weghören und ein Hauch von Empörung - ob der einst nur dürftig aufgebrachten Schallisolierung des Bauherren.
Das wahre Problem aber kam anderntags zum Tragen, nämlich als man dem Nachbarspaar begegnete. Wie reagiert man, wenn man vermeintlich detailliert weiß, was sie letzte Nacht. . .? Natürlich gibt man sich nonchalant wie immer, erkundigt sich höflich nach dem allgemeinen Befinden und läuft erst dann rot an, wenn einem die Nachbarn ihrerseits voller Stolz von ihrer Aktivität am Vorabend erzählen. Dem schnellen Internet sei Dank können sie nun nämlich ein ordentlich kraftraubendes Zirkeltraining auf einem Zimmertrampolin absolvieren, für die schnelle Strandfigur, während sie sich per Online-Streaming von einem Coach motivieren lassen. Auf diese Erkenntnis folgt beim Zuhörer erst Peinlichkeitsröte und dann noch die Schamesröte eines Sportmuffels mit schlechtem Gewissen. 50 Shades of Red quasi.