Mitten in Starnberg:Ein Beitrag zum Insektensterben

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Nach Waldsterben, Ozonloch,und Erderwärmung werden jetzt auch noch die Insekten knapp

Kolumne von Wolfgang Schäl

Nach Waldsterben, Ozonloch,und Erderwärmung werden jetzt auch noch die Insekten knapp. Das ist ziemlich blöd, weil viele von ihnen für den Dienst auf den Blüten ja dringend gebraucht werden: die Bienen, Hummeln und Wespen, die vielen Pflanzen das Überleben und den Menschen feine Früchte sichern. Die Aussicht, dass vielleicht auch die Spinnen verschwinden, die dicken, schwarzen hinterm Schrank, stimmt unsereinen dagegen eher froh. Auf die könnte man daheim gern verzichten, ebenso wie auf Bremsen, Motten, Stechmücken, Kellerasseln, Küchenschaben und Stubenfliegen.

Mit den Fliegen sind wir nun schon beim Thema, weil ein Exemplar dieser Gattung seit geschlagenen zwei Tagen maximal lästig über den Bildschirm läuft, immer genau auf der Zeile, auf der wir versuchen zu schreiben. Es ist gerade so, als wollte sie uns höhnisch zurufen: Fang mich doch, alter Insektenfeind, dann gibt es eben schon wieder einen dieser herrlichen Flugkünstler weniger! Um ehrlich zu sein: Bis jetzt waren wir gegenüber dieser Spezies völlig unsentimental, gern hätten wir dem Vorbild des tapferen Schneiderleins folgend mal siebene auf einen Streich erlegt, brachten es mit Hilfe der Fliegenklappe aber nur ein einziges Mal auf immerhin noch sportliche drei. Jetzt freilich schleichen sich Skrupel ein. Wird die Stubenfliege als solche und vielleicht sogar dieses eine Exemplar womöglich auch noch gebraucht? Darf man diese Kreatur so einfach...?

Wir schauen der ungebetenen Besucherin mal ausnahmsweise mit skeptischer Muße zu, wie sie dasitzt und sich provokativ die Vorderbeine reibt. Schön ist dieses Tier ja nicht wirklich mit seinem schlabbrigen Rüssel, den riesigen Glotzaugen und dem schwarzbraunen Hinterleib. Ein kleines Monster, das mit uns seinen Schabernack treibt. Der schiere Anblick und die wachsende Wut über die Dreistigkeit des Bildschirmkrablers stört uns bei dieser kleinen zoologischen Betrachtung indes weniger als die Vorstellung, wie dieser lästige Gast so seinen Tag verbringt.

Wie er in einem warmen Kuhfladen übernachtet hat, um dann auf einem Hundehaufen Zwischenlandung zu machen auf dem Weg zur nächsten Mülltonne. Und wie er jetzt mit schwerer Bakterienfracht an Beinen und Rüssel ansetzt zur Attacke auf unser Frühstückshörnchen, das verlockend duftend auf dem Schreibtisch liegt. Der Gedanke, dass die Fliege sich daraufsetzt und an dem Zuckerguss herumrüsselt, ist objektiv supereklig und verdirbt uns jeglichen Appetit. Deshalb geben wir ihr noch genau zehn Sekunden, um durchzustarten. Andernfalls leisten auch wir unseren schon längst überfälligen Beitrag zum Insektensterben.

© SZ vom 22.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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