Mitten in Schlagenhofen:Trojas Untergang mit Bratwurst

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Wenn im Fünfseenland vom Wilden Westen gesprochen wird, sind weder der Goldrausch noch Häuptling Winnetou gemeint

Von Christine Setzwein

Wenn Kommunalpolitiker im Fünfseenland vom Wilden Westen sprechen, meinen sie nicht etwa die Zeit des Goldrausches, die Legenden um Buffalo Bill oder den tapferen Häuptling Winnetou. Sie meinen den Westen des Landkreises Starnberg und die aufmüpfigen Einwohner von Gilching bis Inning. Die auf die Straße gehen gegen eine Flugplatzerweiterung, die gegen Ortsumgehungen demonstrieren und wo Naturschützer dem Weßlinger Bürgermeister schon mal einen Schädel, verziert mit christlichen Symbolen, vor die Haustür legen. Weil Gott ja nicht nur für die Menschen und die Autofahrer da ist, sondern auch für Hirschkäfer und Kröten. Da können sich die vornehmen Pinkel vom Starnberger See eine Scheibe abschneiden.

Aufmüpfig waren die im Westen ja schon immer. 1923 zum Beispiel, als der seinerzeit berühmte Regisseur Manfred Noa den Monumentalschinken "Helena" drehte. Ein Stummfilm, drei Stunden lang. Als Drehort hatte er sich Schlagenhofen am Südufer des Wörthsees ausgesucht, wo er willige und mutige Statisten fand. Ja, Knechte und Mägde rissen sich geradezu um die Filmjobs, bekamen sie dafür doch Tagesgagen von 40 000 Mark. Sollten ihre Herrschaften doch schauen, wie sie die Ernte einbringen. Und kein anderer als der Hechendorfer Zimmermeister Dosch wagte es, sich anstelle des hasenfüßig gewordenen Hektor-Darstellers in einem Pferdegespann den Hügel hinab zu stürzen.

Etwas von Rebellen haben die Schlagenhofener heute noch. Eine Umgehungsstraße haben sie verhindert, den Ausverkauf ihres Dorfes auch. Am kommenden Freitag können sie und alle anderen Rebellen, Häuptlinge und Krieger, Trojaner und Spartaner eintauchen in die Filmwelt von damals. Mit Erlaubnis des Filmmuseums München wird um 20.15 Uhr im Lagerhaus der zweite Teil von "Helena" gezeigt. "Der Untergang Trojas" dauert nur 45 Minuten, und Bratwurstsemmeln gibt's auch.

© SZ vom 18.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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