Mitten in Inning:Der Hecht im Gemeinderat

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Erfahrene Kommunalpolitiker und Raubfische fallen nicht mehr auf jeden Köder herein

Von Astrid Becker

Die Berufe von Architekten und Bauern haben auf den ersten Blick so wenig gemeinsam wie der Inninger Gemeinderat mit einem Hecht. Wer einmal in einer Sitzung dieses Gremiums gewesen ist, wird die Autorin dieser Zeilen sogar für vollkommen wahnsinnig halten, dass sie beides, Gemeinderat und Hecht, in einem Atemzug zu nennen wagt. Aber nur vorübergehend.

Beginnen wir doch mal beim Bauern. Der lernt heute für seinen Beruf nicht nur, wie er Traktoren bedient oder Kühe melkt, sondern vor allem, wie er die Formulare ausfüllt, die ihm nötige und unnötige Subventionen für seinen Betrieb bescheren. Ähnliches muss auch der Architekt beherrschen. Er muss genau wissen, mit welchen Mitteln er eine Baugenehmigung bekommt, auch wenn das Vorhaben, das er zu planen hat, überhaupt niemals genehmigungsfähig ist. Vor allem für die Bereiche, wo es keinen Bebauungsplan gibt, haben die Architekten mittlerweile eine effektive Strategie entwickelt. Dann kommt nämlich der Paragraf 34 ins Spiel, über dessen Interpretation man vortrefflich streiten kann. In der Praxis wenden sich die Planer hierzulande gern an die Kreisbaubehörde. Die erklärt ihnen dann offenbar, was alles zu klären ist und verweist auf die Gemeinde, die die ganze Angelegenheit schlussendlich dem Gemeinderat übergibt. Der sieht sich dann wegen eines Bauantrags für eine Dachgaube vor schier unlösbare Probleme gestellt. Denn beantworten soll er gefühlte 300 Fragen, die nur einen Zweck haben: sich klammheimlich aus der einstigen Dachgaube eine Genehmigung für einen zehnstöckigen Mietsblock zu erschleichen. Gut, das mag jetzt übertrieben sein. Aber tendenziell geht es in diese Richtung. Glaubt zumindest der Gemeinderat Inning, und will bei diesem Spiel nun nicht mehr mitspielen.

In der Sitzung am Dienstag lehnte das Gremium es schlichtweg ab, noch einmal Antworten auf Fragen zu finden, deren Inhalt es gar nicht versteht. Weil keine Unterlagen vorliegen, weil vorgelegte Pläne nicht verraten, um was es eigentlich geht und weil man ohnehin der Meinung ist, dass das Landratsamt das Ganze am Ende genehmigt, ohne den Willen des Rats zu berücksichtigen. Diese Meinung, ob zutreffend oder nicht, beweist jedoch eines: Je länger der Gemeinderat im Amt ist, desto erfahrener wird er. Und damit gleicht er dann doch dem Hecht. Beispielsweise. Dieser Raubfisch jedenfalls fällt mit zunehmendem Alter auch nicht mehr auf jeden Köder rein, den ihm Angler vorsetzen. Im Gegenteil: Er gilt als äußerst schwierig zu fischen, aber auch als perfekter Jäger. Liebe Planer, nehmt Euch also in acht.

© SZ vom 12.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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