Kabarettistenpaar:"Auf in den Kampf, Amore!"

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Als "Faltsch Wagoni" sind Silvana und Thomas Prosperi das dienstälteste Kabarettistenpaar Deutschlands und nehmen die Geschlechterrollen ironisch aufs Korn. Zum Internationalen Frauentag spielen sie am Mittwoch in der Evangelischen Akademie Tutzing

Interview von Armin Greune

Sie haben wilde Zeiten hinter sich. Er - der Sponti und Straßenmusiker - erlebte in einer Milbertshofener WG fünf Hausdurchsuchungen binnen eines Jahres. Sie schmiss das Studium hin, tauschte ein Regal gegen einen Bass und trat damit ohne viel Federlesen in einer Punkband auf. Als Paar lebten Silvana und Thomas Prosperi alias "Faltsch Wagoni" einige Jahre in einem Zirkuswagen neben dem Kult-Club "Post" in Ampermoching. Nun wohnen sie in Herrsching und genießen die Normalität im Reihenhausidyll, wenn sie von ihren Tourneen zurückkommen. Sie haben zwar Frieden mit dem Staat geschlossen, bleiben aber wachsam. Und schlagen Alarm: Angesichts der um sich greifenden nationalistischen, rassistischen und sexistischen Strömungen rufen sie dazu auf, den politischen Kampf wieder aufzunehmen: Es gilt Freizügigkeit und Humanismus zu verteidigen. Zum vermeintlichen Kampf der Geschlechter können sie auf intensive eigene Erfahrungen zurückgreifen: Vor sechs Jahren haben sie geheiratet, seit 35 Jahren leben und arbeiten sie als langlebigstes Kabarettistenpaar der Republik miteinander. In Ihrem Programm "Ladies First, Männer Förster" sezieren sie mit viel Sprachwitz und Selbstironie das Rollenverständnis der Geschlechter.

Zum Internationalen Frauentag an diesem Mittwoch, 8. März, treten Faltsch Wagoni um 19 Uhr damit in der Evangelischen Akademie Tutzing auf. Die Gleichstellungsstelle des Starnberger Landratsamts legt von 18.30 Uhr an 200 Freikarten an der Abendkasse bereit, Reservierungen sind nicht möglich.

SZ: Herr Prosperi, halten Sie sich für emanzipiert oder gar für einen Feministen?

Thomas Prosperi: Feminist auf jeden Fall. Ich bin überzeugt, dass die Welt viel besser dran wäre, wenn sie von Frauen regiert würde. Aber Emanzipation ist doch eher eine Sache von Frauen. Frauen können sich von Männern emanzipieren, aber umgekehrt?

Silvana Prosperi: Man muss sich doch aber auch als Mann emanzipieren, um von den tradierten Rollenbildern loszukommen.

Thomas: Eigentlich ist es ein ewiger Kampf mit dem genetischen und sozialen Erbe. Bei vielen Männern ist ja auch eine starke Verunsicherung zu spüren, was sich manchmal in dummer Sturheit ausdrückt.

Inwieweit erfüllen Sie die herkömmlichen Klischees von Mann und Frau?

Thomas: Als Kind war ich bei den Pfadfindern, der Naturbursche steckt immer noch in mir drin. Und ich hantiere gerne mit Werkzeug und habe früher auch viel unter dem Auto rumgeschraubt. Das empfinde ich aber nicht unbedingt als Makel, wenn man(n) das kann.

Silvana: Und ich führe hier das Regiment in der Küche. Da kann man nun typisch Frau sagen - aber auch typisch Italienerin. Es ist einfach so, dass Essen für mich eine größere Bedeutung hat, als für Tommi. Er kocht nicht so gern, steht höchstens mal am Grill und bewacht die Steaks.

Und welche Merkmale der jeweils anderen Geschlechterrolle können Sie an sich entdecken?

Thomas: Beispielsweise bügele ich gern. Ich bin in einer reinen Jungsfamilie groß geworden, für den Vater war ich der vierte Sohn in zweiter Ehe. Der hätte eigentlich wahnsinnig gern eine Tochter gehabt. Ich hatte als Kind lange blonde Haare und hab genauso oft mit Puppen wie mit Autos gespielt.

In der Küche in Herrsching ist Thomas Prosperi eher der Handlanger. Ansonsten wird täglich mit Silvana gerungen, wer gerade das Sagen hat. (Foto: Georgine Treybal)

Silvana: Du hättest das Mädchen sein dürfen und ich hätte als Kind ein Junge sein können. Ich hatte kurze Haare und hab' die Fahrräder der Familie repariert. Ich durfte als einziges Mädchen mit den Rennrädern der Jungs fahren. Jetzt bin ich in unserem Team der Stratege und er die Sekretärin.

Thomas: Mich haben Lästerzungen mal als Edel-Softie bezeichnet.

Silvana: Und ich bin mir sicher, dass hinter meinem Rücken schon das Wort "Mannweib" gefallen ist.

Thomas: Sie ist eindeutig der burschikose Typ.

Ein Mann, der zu seiner weiblichen Seite steht, eine Frau, die auch mal den Kerl herauskehrt. Herrscht deshalb zwischen Ihnen immer Harmonie?

Silvana: Nein gar nicht, wir sind in Charakter und Temperament sehr unterschiedliche Wesen. Warum wir witzigerweise noch immer als Paar funktionieren, liegt auch daran, dass ich manchmal sein Kumpel bin und er auch meine beste Freundin sein kann. Und dass wir uns in unseren Weltanschauungen wahnsinnig ähnlich sind.

Thomas: Dass wir gerne und heftig streiten, gehört unbedingt auch dazu.

Silvana: Wenn man nicht will, dass sich einer unterordnet, muss eben alles ausdiskutiert werden.

Thomas: Jeder versucht halt auch, sein Revier zu verteidigen.

Silvana: Das ist mal wieder typisch: Der Förster redet vom Revier.

Thomas: Darf ich dich an Deine Küche erinnern?

Silvana: Ich kann einen aufkommenden Ärger nicht einfach runterschlucken. Wenn mir etwas an ihm stinkt, stänkere ich dagegen auch mal gleich auf der Bühne los.

Thomas: Es kommt uns auch zu Gute, dass wir nicht nur Bett und Tisch teilen, sondern auch die Arbeit gemeinsam haben.

Silvana: Ja, man muss auch mit etwas Anderem beschäftigt sein, als bloß Paar zu sein. Wir sind Liebes- und Geschäftspartner und engagieren uns außerdem zusammen gesellschaftspolitisch.

Wie haben Sie sich kennengelernt?

Silvana: Das war 1981. Ich hatte mein Lehramtsstudium abgebrochen und stattdessen für die links-alternative Münchner Stadtzeitung "Blatt" Musikkritiken geschrieben und sie auf der Straße verkauft.

Thomas: Ich verkehrte im Umfeld vom "Blatt", hab es ausgefahren, Artikel geschrieben und Zeichnungen gemacht.

Silvana: Wir hatten ja viele Jobs, ich habe Comics übersetzt oder im Krankenhaus gearbeitet. Um etwas Geld zu verdienen, haben wir zusammen Häuser renoviert, Teppiche verlegt und Wohnungen geweißelt.

Thomas hatte ja damals schon als "Tommi und das Mobile Einsatzorkester" einigen Ruhm als Straßensänger mit selbst verfasstem politischen Liedgut erlangt.

Silvana: Seine Texte haben mich gleich gepackt und letztendlich zum Singen gebracht. Mit Musik angefangen habe ich erst, als wir in unserem romantischen Zirkuswagen einige Zeit hinter der "Post" in Ampermoching gewohnt haben. Das war ja in den 1980ern der Treffpunkt der Punk- und New-Wave-Szene in Süddeutschland. Ich hatte über eine Kleinanzeige im "Blatt" einen E-Bass eingetauscht. Damit ein Punkkonzert zu geben, war relativ einfach: Ich hatte zwar nichts gelernt, aber ich war mutig.

Thomas: Anders als für die junge Generation heute gab es zu dieser Zeit nicht die Angst, keine Arbeit zu finden. Aber Aufrüstung, Atomkraft und die politische Repression haben uns schon Angst gemacht. In meiner Milbertshofener WG gab es etliche Hausdurchsuchungen. Nachdem wir einmal den Gasteig besetzt hatten, wurde der innerhalb eines halben Tags wieder geräumt und ich durfte eine Nacht in der Ettstraße (Münchener Polizeipräsidium, Anm. der Red.) verbringen.

Hat sich Ihre Sicht auf Staat und Gesellschaft in der Zwischenzeit geändert?

Thomas: Ganz sicher. Damals habe ich mich an der Seite der Arbeiter und Hausbesetzer immer zu den Verlierern gezählt. Heute ist mir klar, dass wir auch einiges erreicht haben.

Silvana: Wenn etwa in München Anti-Pegida-Kundgebungen stattfinden, schon bevor die Rechte dort auf die Straße gegangen ist, macht mich das stolz, weil es zeigt, dass sich die Zivilgesellschaft rechtzeitig positioniert hat. Es geht nicht nur um Fremdenfeindlichkeit, sondern auch um unsere Rechte, die wir vor dreißig, vierzig Jahren erkämpft haben. Die rechten Populisten wie Erdogan und Trump hetzen ja auch wieder voll gegen die Gleichberechtigung.

Thomas: Dieses Aufbäumen der "Förster" dieser Welt ist ein Prozess mit offenem Ergebnis.

Silvana: Wir dürfen uns nicht mehr länger bequem zurücklehnen, Menschenrechte, Freiheit, soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit stehen auf dem Spiel. In den Schulen etwa kann man wieder ablesen, wie die Schere zwischen Arm und Reich auseinanderklafft.

Sie haben vorhin von Ihrem persönlichen politischen Engagement gesprochen. Was machen Sie denn genau?

Silvana: Wir gehören zu einer etwa zehnköpfigen Gruppe, die das Integrationscafé "Bla Bla" im Herrschinger Kino betreibt. Dazu haben wir den gemeinnützigen Verein "Wir schaffen das" gegründet. Dreimal in der Woche treffen sich dort Herrschinger mit Flüchtlingen aus Syrien, Afghanistan, Eritrea und dem Irak. Es ist leider immer noch schwer, Frauen reinzubringen, in ihren Kulturen gehen sie nicht so einfach ins Café, die kommen eher mal mit ihren Kindern zu Familien-Veranstaltungen. Wenn wir eine Küche hätten, ließen sich die Frauen wohl eher mal blicken. Uns fehlt im Kino aber auch der Platz für Workshops und Sprachkurse. Meistens wird das Café zur Lern- und Lachstube: Dort werden die Hausaufgaben erledigt, vor allem aber wird normal kommuniziert: Es ist so wichtig, über Sprache auch lachen zu können.

Da sind Sie ja Spezialisten. Als "Rhythmuspoeten" sind Faltsch Wagoni ja eher für ihre ausgefeilten Wortklaubereien und das musikalische Spiel mit der Sprache bekannt, als mit der klassischen Politikerschelte.

Thomas: Das 2015 uraufgeführte Programm "Damenwal" hatte mit dem Themenschwerpunkt Wasser durchaus auch viele politische Aspekte. Und unser neues Programm, das bis zum Herbst fertig sein soll, wird sich aus gegebenem Anlass wieder stärker allgemeinpolitischen Fragen widmen.

Gibt es dafür schon einen entsprechenden Arbeitstitel?

Thomas und Silvana: Ja, Politik und Liebe. Auf in den Kampf, Amore!

© SZ vom 07.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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