Hechendorf:Ohne Einschränkungen

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Bärbel Seibold gründet Selbsthilfegruppe zur Inklusion

Von Wolfgang Prochaska, Hechendorf

Es hört sich eigentlich einfach an: Jeder soll ohne Einschränkungen am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Ob behindert oder nicht. Inklusion nennt sich das Ganze. Die Wirklichkeit schaut anders aus, wie Bärbel Seibold berichtet, die eine Tochter mit Handicap aufgezogen hat. Als Kleinkind war ihre Tochter vom Balkon gestürzt und hatte ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten. "Wir haben eine 18 Jahre dauernde Odyssee hinter uns", sagte sie im Rahmen eines Pressegesprächs in den Räumen der Nachbarschaftshilfe Hechendorf zum Thema Inklusion.

Ob im Kindergarten, in der Schule oder im Arbeitsleben: Die soziale Ausgrenzung sei groß. "Es ist nicht nur ein schwieriger Weg für den Betroffenen, sondern auch für die Angehörigen", sagte sie. Seibold will deshalb etwas ändern, vor allem im westlichen Landkreis. Sie plant mit Mitstreitern eine Inklusion-Selbsthilfegruppe zu gründen, in der von der Erzieherin bis zum Unternehmer und Kommunalpolitiker möglichst alle wichtigen gesellschaftlichen Gruppen vertreten sein werden. Das Ziel: Die Inklusion in der Gesellschaft zu einer Selbstverständlichkeit zu machen. "Jeder muss in den Kindergarten oder auf eine Schule gehen können und eine freie Arbeitsplatzwahl haben", betonte Seibold. Die Gründungsversammlung ist am Donnerstag, 1. Oktober, 19.30 Uhr, im Vereinsheim der Nachbarschaftshilfe (NBH) in der Hauptstraße 54a. Unterstützt wird Seibold auch von Irmgard Rehm, der Vorsitzenden der NBH Hechendorf, von Petra Seidl, der Behindertenbeauftragten des Landkreises, und von Anna Krott von der Selbsthilfegruppe Ohrmuschel in Gilching. Seidl erinnerte bei der Präsentation der Pläne daran, dass die Inklusion nach der UN-Behindertenkonvention allgemeingültiges Ziel ist, aber die Rahmenbedingungen erst geschaffen werden müssen. "Da gibt es noch viel Arbeit."

Für Anna Krott ist Inklusion "gelebte Demokratie", und was sie damit meint, machte sie an ihrem eigenen Leben deutlich: Als Kind, das an Schwerhörigkeit litt, die nicht erkannt wurde, wurde sie gesellschaftlich abgeschoben. Es gehe nicht nur um abgesenkte Bordsteine, es gehe darum, Hemmschwellen abzubauen, so Krott. Dies könne man nur lernen, wenn die Gesellschaft offener werde, wenn Behinderte nicht mehr als solche wahrgenommen werden. Denn jeder Mensch habe Talente. Somit entstehe eine Wechselwirkung zwischen den Menschen. Der offizielle Name der Selbsthilfegruppe soll deshalb "Vielfalt" heißen und die Inklusion im westlichen Landkreis fördern. Sie will Hilfestellung geben und die richtigen Ämter und Stellen vermitteln und gleichzeitig Ansprechpartner sein. Zudem will sie den Gedanken der Inklusion stärker in die Vereine, Schulen, Ämter und Betriebe tragen. Seibold spricht von "Bewusstseinsbildung". Sie hofft, dass in der Gruppe viele Vertreter aus diesen Bereichen mitarbeiten werden - und auch Betroffene.

© SZ vom 25.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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