Adventsbräuche:Wachsstöckl und Paradeisl

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Kunstvoll verziert und wie ein Buch gebunden: Eine kleine Sammlung von Wachsstöckln ist im Museum Starnberger See ausgestellt. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Kerzenpäckchen waren einst nötig, um im Gebetbuch lesen zu können. Heute sind die Stücke Museumsexponate

Von Katja Sebald

Nicht warten, gleich alle Türchen auf einmal öffnen!" So steht es auf dem Adventskalender einer Autofirma, der dieser Tage als Werbung verschickt wird und hinter jedem Türchen mit einem Sonderangebot lockt. Sinnentleert ist nun also auch der Adventskalender, einst als Zeitmesser für ungeduldige Kinder erfunden. In früheren Zeiten waren die Wochen vor Weihnachten ganz vom Warten bestimmt: Das Fasten gehörte ebenso dazu wie das Verrichten von Gebeten und verschiedene Vorkehrungen für die Feiertage. Auch uralter Aberglaube, heidnische Bräuche und die Furcht vor der Dunkelheit bestimmten das Tun der Menschen.

Durch das Anzünden von Kerzen versuchte man, die finsteren Mächte der langen Winternächte bannen, sie hatten aber zunächst auch schlicht und ergreifend einen praktischen Nutzen: Im Advent wurden vielerorts Roratemessen, auch Engelämter genannt, gefeiert. Diese Votivmessen fanden, gleichsam Christus als Licht erwartend, vor Sonnenaufgang statt. Wenn man dabei im Gebetbuch lesen wollte, musste man selbst eine Beleuchtung in die Kirche mitbringen. Ein Wachsstöckl war perfekt für diesen Zweck geeignet: Dafür wurde ein langer, etwa bleistiftdick mit Wachs ummantelter Docht zu einem kleinen Päckchen gewickelt. Diese "Endloskerze" passte in jede Tasche und stand ohne Halterung auf der Kirchenbank. Zum Gebrauch wurde jeweils ein Stück in der Größe einer Christbaumkerze vorsichtig aufgestellt und entzündet. Als das Wachsstöckl nicht mehr als Beleuchtung benötigt wurde, avancierte es zum beliebten Geschenk und Erinnerungsstück für Firmlinge und Brautpaare, nun aber aufwendig verziert und viel zu schön zum Abbrennen.

Auch bei Knechten und Mägden bedankte man sich mit Wachsstöckln, ebenso erhielten Kellnerinnen am Ende des Jahres von Stammgästen ein kunstvolles Wachsstöckl als Dank fürs Waschen des Bierkrugs. Heutzutage muss man ins Museum gehen, wenn man ein Wachsstöckl sehen will: Im Museum Starnberger See gibt es eine kleine Sammlung aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert: Sie zeigt Exemplare, für die das Wachs in Form eines Buches oder einer Krone gewickelt wurde. Auch ein weihnachtliches Motiv mit wächsernen Jesuskind in der Krippe ist dabei.

Die Tage bis Weihnachten wurden früher gezählt, indem man jeden Tag einen von 24 Kreidestrichen von der Tür wischte oder nach dem täglichen Gebet einen Strohhalm in die Krippe legte, damit das Christkind weich liegt. Der Adventskranz ist eine protestantische Erfindung und kommt aus Norddeutschland: Der evangelisch-lutherische Theologe und Erzieher Johann Hinrich Wichern hatte sich 1833 in Hamburg einiger Kinder angenommen, die in großer Armut und praktisch auf der Straße lebten. Weil die Kinder ihn immer wieder fragten, wann denn nun endlich Weihnachten sei, steckte er erstmals 1839 auf ein altes Wagenrad 20 kleine rote und vier große weiße Kerzen als Kalender. Jeden Tag wurde eine Kerze mehr angezündet. Knapp hundert Jahre später hatten der evangelische Adventskranz, wie übrigens auch der ursprünglich evangelische Christbaum, ihren Siegeszug auch im katholischen Bayern angetreten. Von den ursprünglich 24 Kerzen waren jedoch nur die vier für jeden Sonntag im Advent übrig geblieben, dafür wurde der Kranz nun mit Tannengrün geschmückt.

In manchen Gegenden Oberbayerns und auch Starnberger Raum hielt sich noch bis in die Nachkriegszeit das "Paradeisl", für manche arme Arbeiterfamilie war es der einzige weihnachtliche Schmuck in der Stube. Es war denkbar kostengünstig herzustellen: Vier rote Äpfel wurden mit einfachen Holzstöckchen zu einer Pyramide verbunden, in jedem Apfel steckte außerdem eine rote Kerze. Die auf der Pyramidenspitze wurde als letzte am vierten Adventssonntag angezündet.

Bei der Familie Großer in Starnberg wurde noch bis vor wenigen Jahren ein solches Paradeisl aufgestellt. "Aber in Räumen mit Zentralheizung werden die Äpfel leider zu schnell schlecht", sagt Willi Großer, Ehrenvorstand des Heimat- und Volkstrachtenvereins Starnberg. Ein "evangelischer" Adventskranz komme ihm trotzdem nicht ins Haus. Auch der Adventskalender ist eine noch relativ junge Erfindung: Der erste wurde 1908 in der lithografischen Kunstanstalt Reichhold & Lang in München gedruckt. Die Idee dazu hatte der Firmenteilhaber Gerhard Lang mitgebracht, der aus einer kinderreichen protestantischen Pfarrersfamilie in Maulbronn stammte.

© SZ vom 02.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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