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Kitaplätze sind auch in Hamburg begehrt - nicht nur zu Streikzeiten. (Foto: dpa)

5000 freie Plätze in Berlin, Gutscheine in Hamburg und Gebührenerhöhungen in Stuttgart: Wie die Kinderbetreuung in anderen Großstädten funktioniert

Natürlich hört man auch in Berlin die typischen Horrorgeschichten. Von Müttern, die sich im vierten Schwangerschaftsmonat für einen Kitaplatz anmelden und zur Antwort bekommen: Sie sind viel zu spät dran. Von Eltern, die sich bereit erklären müssen, nebenher für die Kita zu kochen und zu putzen, um überhaupt auf die Warteliste gesetzt zu werden. Die Berliner Lokalpresse ist voll von solchen Geschichten - auch deshalb, weil es Einzelfälle sind. Die in Trendbezirken wie Prenzlauer Berg oder Kreuzberg spielen, wo es so viele junge Familien hinzieht und alle am liebsten einen Platz in einer zweisprachigen Krippe mit Kreativ-Schwerpunkt und Bio-Essen hätten. Der Normalfall in der Hauptstadt ist, dass man in seiner Nachbarschaft vier, fünf Kitas abklappert, und in einer von ihnen bekommt man einen Platz, spätestens im August, wenn ein Teil der Kita-Kinder schulpflichtig wird. In Notfällen kann man sich an das Jugendamt wenden, das bei der Vermittlung hilft. Beim Landeselternausschuss Berliner Kindertagesstätten (LEAK) hat man jedenfalls noch von keiner Familie gehört, die keinen Platz bekommen hätte. Berlin ist nicht nur die Stadt, in der es sozial vollkommen akzeptiert ist, Kinder früh fremdbetreuen zu lassen, in Berlin gibt es auch genügend Plätze, genauer gesagt einen Überschuss von 5000.

Inzwischen werden in Berlin laut Statistischem Bundesamt 44 Prozent der unter Dreijährigen und 94 Prozent der Drei bis Sechsjährigen in einer Kindertageseinrichtung betreut. Kein Wunder, dass man sich bei einer solchen Versorgung große Ziele setzen kann. Ein Ideal lautet in der Hauptstadt: Einen Puffer von mindestens zehn Prozent an freien Plätzen zu schaffen, damit Eltern nicht den erstbesten Kindergarten nehmen müssen. So formuliert es jedenfalls der Dachverband der Kinder- und Schülerläden (DAKS). Auch die Kosten dürften Bewohnern anderer Metropolen die Tränen in die Augen treiben. Für Kinder, die älter als drei sind, fällt im Monat nämlich nur der Essensbetrag von 23 Euro an, alle anderen zahlen einen Betrag, der gestaffelt nach dem Einkommen ist. Und es gibt inzwischen Stimmen in der Politik, die die Kita-Gebühren am liebsten ganz abschaffen wollen.

Im schönen Hamburg holen sich Eltern eines kleinen Kindes einen Antrag aus dem Internet oder dem Bezirksamt ihres Reviers, füllen den aus und warten auf Post. Nach einigen Tagen liegt dann der Gutschein für die Kita im Briefkasten. Denn zu den Vorzügen der Hansestadt gehört der erfreuliche Umstand, dass der rot-grüne Senat von der Geburt bis zur Einschulung fünf Stunden Kinderbetreuung pro Werktag bezahlt. Also 30 Stunden in der Woche. Mittagessen inklusive. Das hat Hamburg am 1. August 2014 als erstes Bundesland eingeführt, damals regierte die SPD mit ihrem Bürgermeister Olaf Scholz noch allein. Familien spart das bis zu 192 Euro im Monat, die Regierung Scholz gibt dafür in diesem Jahr ungefähr 75 Millionen Euro aus. Manche fanden es zwar ungerecht, dass die Reichen für ihren Nachwuchs nicht mehr zwingend zur Kasse gebeten werden. Aber für viele Menschen ist dies eine enorme Entlastung. Die restlichen Stunden, falls nötig oder gewünscht, müssen die Eltern übernehmen, können sich jedoch je nach Einkommen um Zuschüsse bemühen. Der Anspruch auf einen Kita-Platz wurde bereits 2005 festgelegt, angetrieben von einem Volksbegehren im Jahr davor. Es dürfen staatliche oder private Einrichtungen sein, je nach Wunsch und Kapazitäten. Bei der Suche helfen Mundpropaganda, Glück und nicht zuletzt die Datenbank der Stadt. Auf deren Website findet sich das Kita-Informationssystem Hamburg zur Recherche nach Bezirk, Viertel und Art der Tagesstätte, mit interaktivem Stadtplan. Und wer zufälligerweise aus einem fernen Land angereist ist und gerne hätte, dass sein Bub oder sein Mädchen nicht nur Deutsch spricht, sondern zum Beispiel außerdem Spanisch, der findet in der weltoffenen Metropole auch eine zweisprachige Kita. In manchen Gegenden gleich um die Ecke.

In Stuttgart können sich Eltern schon seit geraumer Zeit auf einer Internet-Plattform einen Überblick verschaffen. Die Plattform heißt KiTS, Abkürzung für "Kindertagesstättenfinder". Es gibt in Baden-Württembergs Landeshauptstadt 500 Tageseinrichtungen in städtischer und freier Trägerschaft. Auf KiTS lassen sie sich sortieren nach Namen, nach Trägern, nach Stadtteil, nach Betreuungsformen. Per Mausklick können die Eltern ihr Interesse anmelden, bei städtischen Einrichtungen sind maximal neun Meldungen erlaubt. Wird eine Bewerbung angenommen, werden die anderen Einrichtungen automatisch davon informiert. Die Erfahrung lehrt allerdings: Eltern sollten im Zweifelsfall nicht zu hundert Prozent dem Online-System vertrauen, sondern lieber doch persönlich nachhaken - vor allem, wenn sie in einer ganz bestimmten Einrichtung zum Zug kommen wollen.

Denn auch in Stuttgart übersteigt die Nachfrage das Angebot bei weitem. Nach Schätzungen der Stadt fehlen trotz eines massiven Ausbaus in den vergangenen Jahren immer noch 4500 Kitaplätze. In den aktuellen Haushaltsberatungen fordert das Jugendamt deshalb Investitionen in Höhe von rund 60 Millionen Euro. Höchst umstritten ist, damit einhergehend, die geplante Gebührenerhöhung von 83 auf 93 Cent pro Betreuungsstunde in den Einrichtungen der Stadt. Geht alles nach Plan, steht in zwei Jahren rund 55 Prozent der Kleinkinder in Stuttgart ein Platz zur Verfügung. Das von der Stadt ausgegebene Ziel sind 62 Prozent, doch dafür müssten weitere 1000 Plätze beschlossen werden. Und alle wissen: Durch den Zuzug von Flüchtlingen wird sich der Mangel noch verschärfen.

© SZ vom 11.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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