Stadtversammlung:Weil sich was tun muss

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In der Krise sehen sich die Münchner Grünen nicht. Doch selbst nach dem Wahlerfolg sagen manche: Die Partei müsse ihre inhaltlichen Ideen besser verkaufen. (Foto: Stephan Rumpf)

Bei der Bundestagswahl wurden die Grünen zweitstärkste Kraft in der Stadt. Das euphorisiert sie, zugleich setzen sie sich kritisch mit dem eigenen Wahlkampf auseinander. Und sie sehen sich verpflichtet, eine Jamaika-Koalition in Berlin möglich zu machen

Von Dominik Hutter

Ein bisschen nachdenkliche Selbstreflexion darf auch in Zeiten der Euphorie noch sein. Und so berichtete der soeben wiedergewählte Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek von der "intern durchaus depressiven Stimmung", die es zeitweise im Wahlkampf gegeben habe. Als die Vorhersagen für die Grünen ziemlich im Keller waren. Janecek sieht, und das ist konstruktiv-kritisch gemeint, "Potenzial nach oben" - nicht nur bei der Mobilisierung im Wahlkampf, sondern vor allem auch im politischen Alltag. Bei der Vermittlung dessen, was die Partei will und tut. "Wir haben es in der letzten Woche gedreht", resümierte eine erleichterte Margarete Bause, die es aus einer Wackelposition heraus doch noch nach Berlin geschafft hat - um gleich anschließend, nach alter Landtagsgewohnheit, den Ex-Gegner und möglichen Bald-Koalitionspartner CSU als "Hühnerhaufen" zu bezeichnen. Die Grünen dagegen seien "super sortiert".

Wozu dieser Stimmungsumschwung im Endspurt des Wahlkampfs geführt hat, wird bei den Grünen seit eineinhalb Wochen ausgiebig gefeiert: zweitstärkste Partei in München, an den Sozis vorbeigezogen. "Wir kämpfen für die richtige Sache", sagte Stadtchefin Gudrun Lux bei der Grünen-Stadtversammlung am Mittwochabend und strahlte dabei. Und ihre Vorvorgängerin, die Landtags-Fraktionschefin Katharina Schulze, schwärmte von den "richtigen Themen" ihrer Partei, die "so wahnsinnig konkret" in den Wahlkampf gezogen sei. Nur eben manchmal "ein bisschen weichgespült", wie die Schwabinger Ortsvorsitzende Barbara Epple einwarf. "Ich habe oft gehört: Ihr Grünen seid zu brav geworden." Vermutlich, um nicht wieder als Verbotspartei eingestuft zu werden.

Man kann den Grünen nicht vorwerfen, dass sie unkritisch mit dem eigenen Triumph umgehen. Stadtversammlung in der Echardinger Einkehr, die Redebeiträge gehören zum Tagesordnungspunkt "Allgemeine Aussprache zur Bundestagswahl". 17,2 Prozent haben die Grünen in München am 24. September geholt, das zweitbeste Ergebnis bislang. Nur 2009 war die Öko-Partei noch um 0,3 Prozentpunkte stärker. Die Stimmung im Saal spricht eindeutig für die Regierungsbeteiligung in einer Jamaika-Koalition. Es gebe die "Verpflichtung, sich alle Mühe zu geben", betonte Marcel Rohrlack, der frühere Sprecher der Grünen Jugend. Die große Koalition sei abgewählt worden, "die Leute wollen, dass sich etwas tut".

Zuvor aber musste sich etwas tun bei den Münchner Grünen, denen im Juli aus privaten und beruflichen Gründen ihr Vorsitzender Hermann Brem abhanden gekommen ist. Sechs Kandidaten, ungewöhnlich viele also, bewarben sich um den verwaisten Platz an der Seite von Co-Chefin Gudrun Lux, die seit Herbst 2016 an der Spitze des Stadtverbands steht. Klare Favoriten: der erst kürzlich als Bundestagskandidat für den Münchner Süden angetretene Peter Heilrath, der eine durchaus engagierte Rede hielt. Und Bezirksrat Sylvio Bohr, der bereits Beisitzer im Vorstand ist und in dessen Bewerbungsrede inflationär häufig die Floskel "liebe Freundinnen und Freunde" vorkam. Bohr setzte sich in einer Stichwahl mit 81 zu 69 Stimmen gegen Heilrath durch. Das neue Duo Lux/Bohr ist bis zur nächsten regulären Vorstandswahl im Frühjahr 2019 im Amt. An der Stadtspitze hat es in den vergangenen Jahren auffallend viele Wechsel gegeben: Auf dem Frauenposten saßen seit 2010 schon Hanna Sammüller, Katharina Schulze, Heidi Schiller und eben Gudrun Lux. Die zweite Position bekleideten nacheinander Nikolaus Hoenning, Sebastian Weisenburger, Hermann Brem und jetzt Sylvio Bohr.

Erwartungsgemäß segnete die grüne Stadtversammlung mit großer Mehrheit ab, den Bürgerentscheid "Raus aus der Steinkohle" am 5. November zu unterstützten. Stadtrat Dominik Krause plädierte für die Abschaltung des Kohlemeilers in Unterföhring bis 2022 und den raschen Bau eines Gaskraftwerks an gleicher Stelle. Diese Idee wird jedoch von den Stadtwerken und der Stadtratsmehrheit als unwirtschaftlich und unrealistisch abgelehnt.

© SZ vom 06.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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