Stadtrat:Offene Rechnung

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Die Stadt prüft noch, ob sie alle Gebühren zurückzahlen darf

Von Dominik Hutter, Melanie Staudinger, München

Allmählich drängt die Zeit: Schon am Mittwoch soll der Stadtrat über die Rückzahlung der Gebühren und Essensgelder für die Kinder in bestreikten Kindertagesstätten entscheiden. Doch ganz so einfach wie vom Initiator SPD erhofft, ist der Geldsegen für die Eltern offenbar nicht locker zu machen. Nach SZ-Informationen suchen die Rathausjuristen derzeit fieberhaft nach einem Weg, wie sich die Gebührensatzung aushebeln lässt. Denn darin ist eine vollständige Erstattung ab dem ersten Tag nicht vorgesehen. Die Regierung von Oberbayern ist bereits eingeschaltet. Eine abschließende Bewertung erfolge "voraussichtlich noch in dieser Woche", gab die kommunale Aufsichtsbehörde am Montag bekannt.

Oberbürgermeister Dieter Reiter hat von Anfang an kein Geheimnis daraus gemacht, dass es sich um einen Schnellschuss handelt - es müsse erst noch ein Weg gefunden werden, die Rückzahlung juristisch zu begründen, erklärte er am vergangenen Dienstag. Diese Mühe hat sich beim letzten Erzieherstreik im Jahr 2009 offenkundig niemand gemacht. Als die CSU damals eine Anfrage stellte, ob man Essensgeld und Gebühren erstatten könne, holte sie sich bei der damaligen Stadtschulrätin Elisabeth Weiß-Söllner eine klare Absage. Weiß-Söllner berief sich auf die Gebührensatzung der Stadt, die damals schon genauso formuliert war wie heute. Ihre Expertise: Rückzahlungen seien grundsätzlich nicht möglich, weder beim Essensgeld noch bei den Gebühren. Die Satzung schreibe eindeutig vor, dass erst bei einer ersatzlosen Schließung an mindestens fünf aufeinanderfolgenden Besuchstage ein Viertel des Monatsbeitrags erstattet wird. Ab zehn Tagen sind es 50, ab 15 dann 75 Prozent. Erst bei 20 aufeinanderfolgenden Tagen entfalle die Zahlung komplett. Ausnahmen seien nur in besonderen Härtefällen möglich. Ein solcher Härtefall liege "bei streikbedingten Schließungen generell nicht vor", steht in der damaligen Antwort des Schulreferats. Weiß-Söllner fügte noch hinzu, dass der Streik ja nicht der Stadt angelastet werden könne, und dass sowohl die Gebühren als auch das Verpflegungsgeld die tatsächlichen Kosten bei weitem nicht abdeckten. Im Übrigen sei die Gebührensatzung einstimmig vom Stadtrat beschlossen worden.

Grundsätzlich ist es für eine Kommune gar nicht so einfach, freiwillig auf ihr zustehendes Geld zu verzichten. "An eine gültige Satzung ist nicht nur der Bürger gebunden, der Bindungswirkung unterliegen auch die Gemeinden selbst", teilte die Regierung von Oberbayern im Januar 2015 mit Verweis auf ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs mit. Das Rechtsgutachten bezieht sich auf die Straßenausbaubeitragssatzung, die zum Jahreswechsel aufgehoben worden war. Damals gab es eine Debatte, ob man den Bürgern zumuten könne, noch ausstehende Beiträge für die Verschönerung von Straßen zu bezahlen, obwohl die Satzung inzwischen abgeschafft wurde. Das Ergebnis: Man kann nicht nur, man muss. Solange die Satzung in Kraft ist, muss sie auch befolgt werden. Rückwirkende Änderungen seien rechtlich unzulässig. Die Regierung schrieb damals: "Wir raten der Stadt dringend, von einer solchen Vorgehensweise abzusehen."

© SZ vom 19.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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