Stadtrat als Herausgeber:Buch zur Ortsgeschichte spaltet Germering

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Gegen den Widerstand von der Grünen-Fraktion hat der Stadtrat Germering beschlossen, ein Buch über die Wifo-Siedlung herauszugeben. Dem Autor werfen die Grünen Unsachlichkeit, Verunglimpfung und eine Verharmlosung des NS-Regimes vor.

Stefan Salger

Im Stadtrat kam es am Dienstagabend zu fast tumultartigen Szenen und emotionsgeladenen Wortgefechten. Zuvor hatte der 68-jährige Germeringer Hans-Dieter Götz die Rohfassung seines Manuskripts vorgestellt. Der ehemalige Focus-Redakteur und Herausgeber von Waffenbüchern hatte anlässlich des 75-jährigen Bestehens der Siedlung auf dem Gelände des einstigen Tanklagers ein Jahr lang recherchiert und sich dabei auch mehr als 20 eingesessene Germeringer interviewt.

Weil die anvisierte Auflage für Verlage uninteressant sei, wandete er sich an die Stadt. Vor allem Mitglieder der CSU- und SPD-Fraktionen setzten im Stadtrat die Herausgabe des Buches "Geheime Reichssache Wifo" letztlich durch. Ihr Argument: Die Siedlung ist ein Stück Heimatgeschichte, von deren Dokumentation die Stadt profitiert. Die elf Gegenstimmen kamen von Grünen, FDP, ÖDP und Parteifreien, Herbert Sedlmeier (CSU) sowie Andreas Haas. Der OB begründete sein ablehnendes Votum damit, ein solches Projekt bedürfe eines breiten Konsenses im Stadtrat.

Dieter Belschner (Grüne) warnte dagegen eindringlich, die Herausgabe des Buches, das von einem "professionellen Waffennarren" verfasst worden sei, werde einen "nicht wieder gut zu machenden Schaden für Germering" anrichten. Inhaltlich sei es fragwürdig, die Machart populistisch.

Die Rolle der SS werde "eher verharmlost", Asylbewerber und Kriegsflüchtlinge würden diffamiert. Belschner zeigte sich schockiert über Äußerungen des SPD-Fraktionssprechers Tobias Utikal. Dieser hält die Lesbarkeit für wichtiger als die Erfüllung eines wissenschaftlichen Anspruchs und bestritt ebenso wie Stadträte der CSU ausdrücklich, dass Asylbewerber mit Schmarotzern gleichgesetzt würden, wie von den Grünen behauptet.

Umstritten sind Passagen wie "...es sind auch so genannte Pflichtarbeiter dabei, Unterstützungsempfänger aus dem Bodensatz der bereits weitgehend abgebauten Massenarbeitslosigkeit..." , "...die alliierten Bomberflotten ließen den Kreuzlinger Forst links liegen. Dafür bekamen andere den Segen ab" oder "...Dienstverpflichtete, die man heute Zwangsarbeiter nennt..." Im Stadtratsbeschluss ist auch ein Appell an den Autor enthalten, als zu "reißerisch" empfundene Passagen zu überarbeiten. Auf Nachfrage der SZ signalisierte Götz hier auch Entgegenkommen.

Die Kosten für eine Auflage von 750 Exemplaren werden auf 8100 Euro geschätzt. Die Stadtverwaltung äußerte sich auf Nachfrage der SZ optimistisch, ein Defizit durch Verkaufserlöse kompensieren zu können. Götz, der die Kritik der Grünen als "nicht nachvollziehbar" zurückweist, macht sich nach eigenen Worten keine Hoffnung, etwas an dem Buch zu verdienen.

© SZ vom 30.04.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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