Staatliches Marketing:Im Rausch der Residenz

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Demnächst entsteht hier eine Anlaufstelle für Bocksbeutel-Liebhaber. (Foto: Stephan Rumpf)

Nach den Pfälzern drängen auch die Franken mit einem Wein-Treffpunkt in die staatlichen Räume - Finanzminister Söder zeigt sich recht entgegenkommend

Von Franz Kotteder, München

Eine Million Euro Steuergelder für eine fränkische Weinprobierstube in der Residenz - wenn das mal kein Skandal ist. Der Bund der Steuerzahler hat den Fall in seinem jüngsten Schwarzbuch aufgegriffen. Die Frage müsse erlaubt sein, heißt es dort: "Ist ein kleiner, aber feiner ,vinophiler Frankenwein-Treffpunkt' den bayerischen Steuerzahlern so viel Geld wert?" Immerhin handele es sich um stattliche 11 000 Euro pro Quadratmeter. Und der Landtagsabgeordnete Hans Jürgen Fahn (Freie Wähler), der seinen Stimmkreis am Untermain hat, sieht sich schon an den Berliner Flughafen erinnert. Er will jetzt ganz offiziell vom Finanzministerium wissen, das über die Schlösser- und Seenverwaltung für die Residenz zuständig ist, ob der Umbau noch teurer werden könne?

Dabei ist die "fränkische Weinlounge", wie sie offiziell genannt wird, ein relativ bescheidenes Vorhaben. Auf 90 Quadratmetern im ehemaligen Residenzladen, dem Souvenirshop beim Eingang zum Kaiserhof, soll ein Ort der Präsentation und Verkostung geschaffen werden, der fränkische Weinbauverband ist der Betreiber. Keine richtige Gaststätte wird es werden, dafür ist zu wenig Platz, eher eine Art Bistro. "Wir wollen dort ein modernes Bild vom Frankenwein vermitteln", sagt Hermann Schmitt, der Geschäftsführer des Weinbauernverbands, für die Kostensteigerungen könne man aber nichts. "Das sind Sanierungskosten. Wir finanzieren die komplette Innenausstattung selbst, das macht bis zu 300 000 Euro aus."

Tatsächlich ist an den Baukosten nur zum Teil der Frankenwein schuld. Denn der gesamte Trakt an der Residenzstraße war nach dem Krieg mit schlechtem Baumaterial notdürftig wieder aufgebaut worden, jetzt steht eine umfassende Sanierung an.

Das war bereits 2012 klar, damals rechnete man noch mit Baukosten von 400 000 Euro. Je detaillierter die Bausubstanz aber untersucht wurde, desto höher wurden die Kostenschätzungen. Im letzten Doppelhaushalt lagen sie schon bei 850 000 Euro, mittlerweile rechnet Finanzminister Markus Söder mit einer Million. Ein Teil davon ist auch durch die Weinlounge begründet, wie das Finanzministerium in einem Schreiben an den Bund der Steuerzahler einräumt: "Dabei spielen vor allem die Um- und Ausbauarbeiten und die technischen Installationen für die geplante Nutzungsänderung eine Rolle", steht da. Erst Ende 2016 wäre dann mit der Eröffnung der Weinlounge zu rechnen; Geschäftsführer Schmitt glaubt noch nicht so recht daran: "2016 ist schon sehr ambitioniert."

Die geplante Weinlounge hat eine lange Vorgeschichte. 1992 beschloss der Landtag auf Initiative einiger SPD-Abgeordneten, eine fränkische Weinprobierstube einzurichten, "möglichst in einem staatlichen Gebäude". 2011 versprach dann Ministerpräsident Horst Seehofer den fränkischen Winzern beim Festakt zum 175-jährigen Bestehen ihres Verbands eine eigene Repräsentanz, und im Dezember 2012 wurde man fündig: Die neue fränkische Weinlounge könne in den Residenzladen einziehen.

Damit sollte ein gewisser Gegenpol geschaffen werden zur Pfälzer Weinstube, die seit 1950 auf opulenten 1500 Quadratmetern im Nordwestteil der Residenz untergebracht ist. Der Landesverband der Pfälzer, ein eingetragener Verein, hat es als Betreiber der Gaststätte bis heute verstanden, sich die Räume zu sichern und Konkurrenz fernzuhalten. Vereinsvorsitzende Ursula Männle, ehemalige bayerische Ministerin für Bundesangelegenheiten und heutige Vorsitzende der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung, sprach noch 2013 von einer "groben Wettbewerbsverzerrung", wenn auch die Franken eine Weinstube in der Residenz bekämen, und sei sie auch noch so klein. Söder habe noch kurz vor der Landtagswahl einen Pachtvertrag mit dem fränkischen Weinbauverband abgeschlossen, ohne das Votum der Pfälzer abzuwarten, und der Weinlounge eine Investitionssumme von einer halben Million Euro zugesagt, hieß es damals beleidigt im Vereinsorgan Stimme der Pfalz.

Mittlerweile haben die Pfälzer aber überraschenderweise ihren Frieden mit der drohenden Konkurrenz gemacht. Die "schwierigen Pachtverhandlungen", die Ursula Männle noch befürchtet hatte, waren anscheinend gar nicht so schwierig. Nach einem Gespräch bei Finanzminister Söder wurde der Vertrag Ende 2014 gleich für volle zwölf Jahre verlängert. Dem Vernehmen nach soll den Pfälzern die fränkische Invasion obendrein noch durch eine konkurrenzlos niedrige Pacht versüßt worden sein. Deren Höhe wird freilich nicht verraten. Die, so heißt es aus der Schlösser- und Seenverwaltung, sei nämlich "Geschäftsgeheimnis".

© SZ vom 14.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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