Hockey im Rollstuhl:Und am Schluss gewinnen immer die Holländer

Lesezeit: 2 min

Eine Hand am Rollstuhl, die andere am Schläger: Vor 25 Jahren erfanden drei kämpferische Brüder Elektrorollstuhl-Hockey - in München haben nun die 19. Internationalen Meisterschaften stattgefunden.

Hüseyin Ince

Harrie van Kemenade steht in der Halle an der Gaißacher Straße in Sendling und blickt konzentriert auf das Spielfeld. Wo eigentlich die Hockeyspieler des HC Wacker zu Hause sind, fahren an diesem Wochenende ein Dutzend Elektrorollstühle umher, gesteuert von zwölf Spielern, die um das nächste Tor kämpfen, eine Hand am Steuerhebel des Rollstuhls, die andere am Hockeyschläger.

Millimetergenau bewegen sie ihre Rollstühle und wirken dabei so konzentriert wie jemand, der an einer Spielkonsole spielt. Van Kemenade muss ein wenig überlegen. Er kann nicht sagen, warum die Holländer im Elektrorollstuhl-Hockey die Besten der Welt sind. "Vielleicht, weil der Sport in den Niederlanden schon am längsten gefördert wird."

Harrie van Kemenade ist Niederländer. Er trainiert die GP Bulls aus Eindhoven. Bei fast allen Welt- und Europameisterschaften siegen die Holländer, und fast immer unterliegt ein deutsches Team im Finale. Beim 19. Treffen deutscher, holländischer, tschechischer, slowenischer und italienischer Elektrorollstuhl-Hockeyteams in München stehen sogar zwei holländische Teams im Finale. Der mehrfache Deutsche Meister Torpedo Ladenburg scheiterte im Halbfinale. Da waren van Kemenades GP Bulls allerdings schon lange ausgeschieden.

Der 52-Jährige kam zum Elektrorollstuhl-Hockey, kurz: E-Hockey, weil seine 21-jährige Tochter auf den Rollstuhl angewiesen ist. Sie kam im Schulsport auf die Idee, sich in einen Elektrorollstuhl zu setzen, einen Schläger in die Hand zu nehmen und auf die flachen Hockeytore zu schießen. Roland Utz, Organisator des Münchner Turniers, war einer der Ersten, die den Sport in Deutschland betrieben haben, zusammen mit seinen Brüdern Oswald und Stefan.

Oswald Utz, 45, ist heute Behindertenbeaufragter der Stadt München. Er sagt: "Unsere Elektrorollstühle waren unsere Mopeds. Was wir an denen rumfrisiert haben. Wir wollten nicht mehr nur einen Luftballon über die Schnur hauen. Das war stinklangweilig. Ich und meine zwei Brüder haben schon immer die sportliche Herausforderung gesucht, den Wettkampf."

Vor etwa 25 Jahren nahmen die Drei Hockeyschläger in die Hand, stellten zwei Hütchen auf und schossen darauf. Sie forcierten ein spezielles Handicap-Punktesystem, "um die Fairness zu garantieren", sagt Roland Utz, 42, der seit rund 20 Jahren den Sport betreibt und gemeinsam mit Oswald und ihrem jüngeren Bruder Stefan beim TSV Forstenried aktiv ist.

Das Forstenrieder Team nennt sich "Munich Animals" und war das erste in einem traditionellen Sportverein eingegliederte E-Hockey-Team in Deutschland. Selbstverständlich gehören die Utz-Brüder zu den Gründern der E-Hockey-Bundesliga. Roland Utz hat studiert und ist Sozialarbeiter. "Elektrorollstuhl-Hockey war für mich und meine Brüder ein Schritt in die Freiheit", sagt er. Endlich hätten sie ihren Eltern zeigen können, dass sie trotz Glasknochenkrankheit in der Lage sind, selbständig zu leben.

Die Niederländer konnten die Utz-Brüder auch diesmal nicht bezwingen. Das Münchner Turnier gewinnen die "Stick Flyers" aus Beetserzwaag, nach Golden Goal in der Verlängerung. "Wieder die Holländer", sagt Roland Utz mit einem Lächeln.

© SZ vom 01.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: