Eishockey-Oberliga:Sonnenuntergangsstimmung

Lesezeit: 3 min

"Jedes Heimspiel ein Event": Als Manager mit großen Visionen für Erding ist Bernd Karbach 2013 angetreten. Zwei Jahre später kämpft die Mannschaft gegen den Abstieg, das Geld ist knapp, die Zuschauerzahlen sinken. Und der Abteilungsleiter will nicht mehr

Von Johannes Schnitzler, Erding

Auf seiner Mailbox ist die Welt noch in Ordnung. Da meldet sich Bernd Karbach mit charmanter Stimme, nennt zuerst seinen Arbeitgeber, ein Unternehmen mit dem schönen Namen VisionSonne, das seinen Kunden Unabhängigkeit verspricht, Unabhängigkeit von Energieversorgern. Nach einer winzigen Kunstpause nennt Karbach dann auch seine zweite Profession, nämlich die Erding Gladiators.

Vor zwei Jahren ist Bernd Karbach als Abteilungsleiter Eishockey im TSV Erding angetreten, als Quereinsteiger mit einer Vision: Er wollte Erding unabhängig machen. Unabhängig von den Ressourcen anderer. Denn eigentlich wären die Gladiators in den Jahren davor als Tabellenletzte abgestiegen und blieben nur durch den Rückzug anderer in der dritten Liga. Karbach wollte, dass die Sonne das ganze Jahr über Erding scheint: 1000 Zuschauer im Schnitt, jedes Heimspiel ein Event, Gesamtvermarktung - diese Ziele formulierte Karbach zu Beginn seiner Amtszeit.

Nichts davon ist übrig geblieben.

Vor einiger Zeit hat Karbach TSV-Präsident Günter Weidenhammer signalisiert, dass er zur nächsten Wahl nicht mehr antreten wird. Auch sein Stellvertreter Georg Kern hört auf. Seit dem vergangenen Wochenende steht fest, dass die Mannschaft die Playoffs verpasst, zum dritten Mal im vierten Oberliga-Jahr. Sechs Spieltage vor Schluss rangiert sie auf dem drittletzten Platz und muss in die Abstiegsrunde. Der Zuschauerschnitt liegt bei 750, Tendenz fallend. Zum Jahresauftakt gegen Regensburg kamen mehr als 1000, zuletzt gegen Peiting waren es noch 478.

Die Situation sei "sehr ernst", sagte Karbach. Ursächlich dafür seien sinkende Zuschauerzahlen, die dem ausbleibenden sportlichen Erfolg aufgrund zahlreicher Verletzungen geschuldet seien, sagte Weidenhammer. Wohlgemerkt: Karbach und Weidenhammer sagten das im April 2013, bevor Karbach in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung bei nur einer Gegenstimme zum Abteilungsleiter gewählt wurde. Damals drückte die Eishockey-Sparte ein Fehlbetrag zwischen 30 000 und 50 000 Euro.

Vor einem Jahr schafften die Gladiators zum ersten und einzigen Mal nach dem Wiederaufstieg den Sprung ins Viertelfinale der Oberliga Süd. (Foto: Renate Schmidt)

Die aktuelle Situation ist praktisch deckungsgleich: Verletzungen von ausländischen Profis, berufsbedingte Absenzen deutscher Leistungsträger, Misserfolg, sinkende Zuschauerzahlen. Einziger Unterschied: Die Finanzsituation ist nicht so dramatisch wie damals. Aber: "Wir machen uns Gedanken", sagt Präsident Weidenhammer. Je nachdem, wie die restliche Saison verläuft, drohen Einnahmenverluste in fünfstelliger Höhe. Wie es aus dem Umfeld des Vereins heißt, soll Karbach den Spielern mitgeteilt haben, dass es Probleme mit dem Februar-Gehalt gibt.

"Leicht nehmen wir das nicht", sagt Weidenhammer und betont: "Einen Zuschuss vom Verein wird es nicht geben." Eine Situation "wie vor zwei Jahren" dürfe sich nicht wiederholen. Damals streckte der TSV einen Teil der Schulden vor. Wie es weitergehen soll, vermag Weidenhammer nicht zu sagen: "Man muss abwarten." Es gibt Stimmen in Erding, die einem Abstieg in die Bayernliga positive Aspekte abgewinnen: mehr Erfolg bei geringerem Aufwand. Für Trainer John Samanski ist das keine Option: "Wir haben noch etwas vor."

Fragt man Samanski, wie schwer ihm die Arbeit zuletzt gefallen sei, sagt er, um Zeit zu gewinnen: "You know . . ." Tatsächlich kann man sich denken, wie es dem Trainer gehen muss. Der Rücken zwickt, ein Souvenir aus seiner Zeit als Profi, "nichts Schlimmes". Schlimm ist allerdings die Stimmung in der Mannschaft. Rudi Lorenz, 32, gebürtiger Erdinger und seit 2009 das Gesicht der Gladiators, hat sein Amt niedergelegt und seinen Schritt damit begründet, dass Interna aus der Kabine an die Öffentlichkeit gelangt seien. "Da war ich schon ein bisschen baff", sagt Samanski. Lorenz soll, so ist aus dem Umfeld der Mannschaft zu hören, auf die Kritik einiger Mitspieler an seinen Leistungen recht dünnhäutig reagiert haben. Auch Stürmer Timo Borrmann verblüffte Samanski und folgte einen Tag vor Ablauf der Transferfrist seinem Kumpel Ales Jirik nach Weiden - just am Tag vor der Partie gegen: Weiden.

Er respektiere die Entscheidung der Abteilungsleitung, sagt Samanski. Aber die Unruhe "stört gewaltig". Der Kanadier ist kein Träumer, mit der Abstiegsrunde hat er sich längst abgefunden. Er war lange genug Profi und ist lange genug Trainer, um zu wissen, "dass es wohl Einschränkungen geben muss". Wie diese aussehen könnten? "Ich habe keine Kristallkugel." Eins ist aber klar: "Ohne Vorstand keine Verträge."

Fürs Erste ist der Klassenerhalt akut in Gefahr. Die Bilanz der Gladiators gegen die direkten Konkurrenten ist verheerend: Gegen die beiden Letzten Füssen und Weiden verloren sie sieben von acht Duellen, "die haben gegen uns 20 Punkte geholt, unglaublich, krass." Sein Team habe sich auf einem guten Weg befunden, sagt Samanski. "Und dann kommen alle diese Sachen. Das hat uns aus der Bahn geworfen."

Am Sonntag müssen die Gladiators nach Sonthofen, ein Vorgeschmack auf die Playdowns: Gegen die Bulls haben sie zwei von drei Saisonduellen verloren.

Und was sagt Bernd Karbach, dessen Vision jetzt so hell strahlt wie die Sonne um Mitternacht? War der "Sonnenkönig", wie ihn manche nennen, zu großspurig? War er, der Quereinsteiger, zu naiv? Rückrufbitten auf seiner Mailbox bleiben unbeantwortet. Auf einen Artikel im Erdinger Anzeiger ("Vorstand und Kapitän haben keine Lust mehr") reagierte er jedoch: "Ich habe das Amt zwei Jahre wahrgenommen, das ist jeden Tag viel Arbeit neben der normalen beruflichen Tätigkeit gewesen, und es geht halt jetzt einfach zeitlich nicht mehr." Ein letztes Ziel habe er noch: Er wolle die Abteilung ordentlich übergeben.

© SZ vom 12.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: