Alpine Ski-WM in Vail/Beaver Creek:Karriere zwischen Furchen

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Seit ihrem Fehlen im Team-Bewerb ist Lena Dürr in aller Munde. Dabei ist das beste Saisonergebnis der Spezialistin aus Germering ein 20. Rang. Der Slalom am Samstag ist die Chance, sich mal wieder zu zeigen

Von Johannes Knuth, Vail/Beaver Creek

Am Tag darauf hatte sich die Lage schon wieder beruhigt. Der Name der Skirennfahrerin Lena Dürr war zu Beginn der zweiten Woche der Ski-Weltmeisterschaften in diversen Nachrichtenspalten und Überschriften aufgetaucht - ohne, dass man Dürr haftbar machen konnte. Der Deutsche Skiverband (DSV) hatte in der ersten Runde des Teamwettbewerbs Viktoria Rebensburg und Veronique Hronek aufgeboten, zwei Fahrerinnen, denen der eng gesteckte Parallel-Riesenslalom nur bedingt entgegenkam. Dürr hat sich auf den Slalom spezialisiert, aber nun musste Dürr zuschauen, wie Hronek stürzte, wie Rebensburg langsamer als die Konkurrenz fuhr, wie die DSV-Auswahl in der ersten Runde aus dem Wettbewerb rutschte.

Mit einer Lena Dürr, sagte Felix Neureuther später sinngemäß, wäre das vielleicht nicht passiert.

Lena Dürr, 23, aus Germering gewann vor zwei Jahren bei der WM in Schladming mit der deutschen Mannschaft im Team Bronze, sie ist durchaus befähigt, einen Parallelslalom zu bewerkstelligen. Aber so einfach ist die Sache dann doch nicht. Dürr wurde 2008 im Weltcup vorstellig. Sie arbeitete sich in den Ergebnislisten rasch nach oben, 2011 vertrat sie den DSV bei der WM in Garmisch im Slalom und Riesenslalom, sie wurde bald als künftige Siegfahrerin ausgerufen. Im Januar 2013 sicherte sich die damals 21-Jährige in Moskau ihren ersten Sieg im Weltcup, es war ein kurzer Parallelslalom, aber immerhin.

Seitdem ging es für Dürr beständig bergab, wie bei einigen Angestellten aus der Technikgruppe der Frauen. Im laufenden Weltcup-Betrieb hat Dürr die Plätze 20, 27 und 22 produziert. Ihre besten Resultate, eine Handvoll zweite und dritte Plätze, entspringen dem Europacup und den Fis-Rennen, der zweiten und dritten Liga des Skisports. Dürr hatte die WM-Vorgaben des Verbands verfehlt, sie wird am Samstag in Beaver Creek trotzdem im Slalom antreten, der DSV hatte zwei Startplätze in einem internen Ausscheidungsrennen verteilt.

Wenn man Dürr nach dieser Delle im Lebenslauf fragt, hält sie zunächst für einige Sekunden inne. "Da haben sicherlich viele Faktoren zusammengespielt", sagt sie schließlich. Vor zwei Jahren habe sie schlecht in die Saison hineingefunden, "ich war brutal oft krank", erinnert sie sich, im Slalom und Riesenslalom schied sie oft aus. Die positiven Erinnerungen verblassten, Zweifel fraßen sich langsam ins Selbstbewusstsein. Wenn sich Dürr in den Jahren zuvor im Starthaus vorbereitet hatte, wusste sie, dass alles stimmte, das Material, das Selbstbewusstsein. Nun passte plötzlich nicht mehr viel zusammen. Lena Dürr kannte das nicht: Dass die Dinge in ihrem Sportlerleben nicht mehr vorangehen.

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(Foto: Clive Mason/Getty Images)

"Ich fighte bis zum Schluss": Lena Dürr aus Germering beim Riesenslalom der Ski-WM in Garmisch 2011.

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(Foto: Antonio Bat/dpa)

Nach dem Auftritt in Garmisch wird die damals 19-Jährige, hier beim Weltcup-Rennen in Kranjska Gora, Slowenien, bald als künftige Siegfahrerin ausgerufen.

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(Foto: Christophe Pallot/Getty Images)

Und tatsächlich geht es zunächst steil bergauf: 2013 fährt Dürr mit 21 beim Weltcup-Rennen in Moskau auf Platz eins.

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(Foto: Christophe Pallot/Getty Images)

Am Ende ist es ihr erster Weltcup-Sieg, ein kurzer Parallelslalom zwar, aber immerhin.

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(Foto: Clive Mason/Getty Images)

Dürrs nächster großer Auftritt: der Slalom bei der Ski-WM in Schladming im Februar 2013.

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(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Am Ende der WM stand der bislang letzte Triumph der Germeringerin (vorne rechts): Team-Bronze mit der deutschen Mannschaft.

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(Foto: John G. Mabanglo/dpa)

Seither läuft es nicht mehr so recht. Im vergangenen Jahr, hier beim WM-Riesenslalom in Aspen 2014, erzielte Dürr bestenfalls durchschnittliche Erfolge.

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(Foto: Gepa/imago)

Sie ist nun auf der schwierigen Suche nach neuem Selbstvertrauen: "Andere haben auch jahrelang gekämpft und sind wieder zurückgekommen."

Skirennfahrer gehen stets in Vorleistung, wie die meisten Hochleistungssportler. Sie tüfteln Wochen und Monate am Material, bereiten sich einen Sommer lang auf eine Saison vor. Ob der von ihnen eingeschlagene Weg zum Erfolg oder in den Misserfolg führt, stellen sie erst fest, wenn es so weit ist. Wer sich auf diesem Weg verirrt, findet oft nur mühsam zurück. Er trägt plötzlich hohe Startnummern, fährt auf zerfurchten Pisten. Das nagt am Selbstvertrauen, am Gefühl, kaum etwas ist im Slalom so wichtig wie das Gefühl für diesen einminütigen Tanz am Abgrund.

Dürr fahndet bis heute nach einem Ausweg aus ihrem Misserfolg. Sie fährt mit anderen Skiern und Schuhen, doch das neue Material beschert ihr oft mehr Arbeit als Selbstvertrauen. Sie tauscht sich mit ihren Eltern aus, Vater Peter war mal Abfahrer, er hatte eine Weile lang seine Auffassung, wie Dürr zu fördern sei, diese Auffassung war mit der des Verbandes nicht immer deckungsgleich. "Natürlich habe ich Dinge falsch gemacht", sagt Dürr. Sie versucht, sich an den positiven Momenten festzuklammern, wer den negativen zu viel Raum gibt, gräbt sich oft noch tiefer in seine sportliche Krise hinein. "Ich weiß ja im Prinzip, wie es funktioniert", sagt Dürr, "ich brauche einfach mal zwei gute Läufe hintereinander."

Die Dürrs waren mal zu zweit im Weltcup unterwegs, Schwester Katharina fiel vor drei Jahren aus der Verbandsförderung, kurz darauf beendete sie ihre Karriere. "Ich fighte bis zum Schluss", sagt Lena Dürr, "andere haben auch jahrelang gekämpft und sind wieder zurückgekommen". In Beaver Creek wird sie mit einer günstigeren Startnummer antreten als im Weltcup, bei der WM dürfen auch die starken Nationen nur eine begrenzte Zahl an Startern entsenden. "Das ist eine große Chance, dass man sich im ersten Durchgang mal wieder zeigen kann", sagt Dürr. Sie weiß, dass sich mentale Verkrampfungen in ihrem Sport rasch lösen, manchmal reichen eine Handvoll gute Resultate. Der nächste große Zyklus im Wintersport endet ohnehin erst bei den Winterspielen 2018. Lena Dürr wäre dann gerade einmal 26 Jahre alt.

© SZ vom 14.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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