Sozialwohnungen:Die Gunst der Stunde

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In München sind Investoren verpflichtet, bei Neubauprojekten 30 Prozent geförderte Wohnungen einzuplanen. Stadtbaurätin Elisabeth Merk verhandelt oft mit ihnen über Details. (Foto: Stephan Rumpf)

Investoren fordern weniger Vorschriften, um billiger bauen zu können - jetzt könnten sie Gehör finden

Von Katja Riedel, München

Wer Elisabeth Merk fragt, ob es denn schwierig sei, im teuren München mit seinen raren Flächen Investoren zu finden, die Sozialwohnungen bauen wollen, also auch mögliche Wohnungen für anerkannte Flüchtlinge, der sieht eine lächelnde Stadtbaurätin. Merk lehnt sich entspannt auf ihrem Stuhl zurück. Denn an dem großen Tisch im sechsten Stock des Planungsreferates empfängt sie regelmäßig Bauträger, um mit Ihnen über Projekte zu sprechen - auch darüber, wie genau sich diese Investoren vorstellen, das knappe Drittel sozial geförderten Wohnraums zu gestalten, das sie auf ihrem Bauland mitentwickeln müssen.

Denn wer in München auf einem Areal Wohnungen errichten will, für das es einen Bebauungsplan gibt, der kann seit 1994 nur noch ein Drittel des Gewinns selbst abschöpfen. Aus dem Wertzuwachs müssen die Bauträger auch in die soziale Infrastruktur investieren - und in Sozialwohnungen. Sozialgerechte Bodennutzung (Sobon) heißt das Konzept, das es München ermöglicht, dass bei großen Neubauprojekten nicht nur Luxus gebaut wird und Eigentumswohnungen für den Mittelstand, sondern auch Wohnraum für die Münchner, die Unterstützung brauchen. Fast 40 000 Wohnungen sind so seit dem Beginn von Sobon entstanden, 10 000 davon sind gefördert. Im Arnulfpark zum Beispiel, auf der Theresienhöhe oder in der Messestadt.

Wer mit Bauträgern spricht, der hört stets Lob, dass es dieses Instrument in München gibt. Auch andere Kommunen eifern München nach. Denn das Modell hat mehrere sozialpolitische und stadtgestalterische Elemente: Es soll verhindern, dass es reine Neubauviertel für Reichere oder Ärmere gibt und stattdessen für eine soziale Mischung sorgen. Allerdings darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in München dennoch viel zu wenige bezahlbare Mietwohnungen gibt. Gerade der soziale Wohnungsbau rechnet sich bei den hohen Bodenpreisen in München für Investoren bisher nicht, Renditen lassen sich damit schwerlich erzielen.

Die Bauträger finanzieren bisher den Sozialwohnungsanteil beim Sobon-Modell schlicht quer: durch Aufschläge auf die frei finanzierten Wohnungen, die deshalb teurer seien, heißt es dazu beim Haus- und Grundbesitzerverein. Wenn es nichts querzufinanzieren gibt, bräuchte es andere Anreize für private Finanziers. "Zur Schaffung von preisgünstigem Wohnraum, der auch für Investoren interessant ist, können sowohl die Stadt als auch das Land beitragen", sagt Rudolf Stürzer, Vorsitzender von Haus und Grund. Die Stadt, indem sie günstigeren Baugrund zur Verfügung stelle. Das Land, indem es die Baustandards senke. Denn diese hätten das Bauen zuletzt stark verteuert. Dabei spricht Stürzer vor allem von solchen Regeln, die nichts mit der Qualität der Häuser selbst zutun haben: Stellplatzregelungen oder Ablösen dafür, sollten diese fehlen. Oder Freiflächen, die in einer bestimmten Art gestaltet werden sollen. Vom Bund fordert er zudem, dass dieser die energetischen Standards an Neubauten überdenken solle.

Das Bayerische Kabinett hat sich bereits mit der unerwarteten Zuwanderung und den Folgen für die Bauwirtschaft beschäftigt: vor wenigen Tagen hat es den Wohnungspakt Bayern beschlossen. Bis 2019 stehen 2,6 Milliarden Euro für 28 000 geförderte Mietwohnungen zur Verfügung. Auch den privaten Investoren will man entgegenkommen - indem man die Baustandards überdenkt. Eine Maßnahme, die jedoch der Bund beschließen müsste, könnte die Wiedereinführung der degressiven Abschreibung sein. Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) hatte dies bereits anklingen lassen, bevor die Zuwanderungszahlen im September steil angestiegen waren. Diskutiert wird auch, die Genehmigungsverfahren deutlich zu beschleunigen. Investoren fordern all dies seit Jahren - und fühlten sich zuletzt von der Politik eher gegängelt, Stichwort Mietpreisbremse. Interessenverbände liefen Sturm dagegen und malten Horrorszenarien, dass damit der Wohnungsbau in Großstädten zum Erliegen komme. Jetzt dürfte der Druck, den die hohe Zahl an Flüchtlingen der Politik bereitet, ihren Interessen insgesamt nicht abträglich sein.

© SZ vom 19.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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