Soziales Engagement von Unternehmen:Ein Ansporn für die Mitarbeiter

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Die einen haben einen Freiwilligentag während der Arbeitszeit, die anderen zahlen Fördergelder für die Arbeit im Sportverein. Mit dem Programm "Get involved" will Knorr-Bremse dazu beitragen, globale Probleme ganz konkret zu lösen und gleichzeitig das ehrenamtliche Engagement der Belegschaft unterstützen

Von Christian Krügel

So oft dürfte das nicht vorkommen: Ausgerechnet wegen des Arbeitgebers ist man plötzlich der Held in seinem Sportverein. Stefan Kwass hat das erlebt, in der Handballabteilung des TS Jahn München. Seit vier Jahren trainiert er zwei- bis dreimal wöchentlich Jugendmannschaften bei dem Verein, obwohl er für seinen Arbeitgeber, die Knorr-Bremse, viel im Ausland unterwegs ist. Als Referent der internen Revision arbeitet er bei dem Münchner Großunternehmen - die Firma hat das Ansehen von Kwass beim TS Jahn im vergangenen Sommer noch deutlich gesteigert. Denn sie bezahlte für 20 jugendliche Handballer ein Ferientrainingscamp samt Anreise und Unterkunft, nicht etwa als gewöhnlicher Sponsor, sondern als Anerkennung für die ehrenamtliche Arbeit von Stefan Kwass.

"Get involved", "Misch Dich ein", heißt das Programm der Knorr-Bremse, das Stefan Kwass und seinen Handballern 3000 Euro eingebracht hat - und vielen Jugendlichen damit "eine von nur wenigen Möglichkeiten, in den Sommerferien zu verreisen", wie der Trainer erzählt. Denn viele Kinder kämen aus Familien, die sich einen Urlaub nicht wirklich leisten könnten. "Der Sportverein kann den jungen Menschen aber Halt und Anerkennung und die Bestätigung geben, die ihnen in der Schule manchmal verwehrt bleibt", sagt Kwass.

Drei Beispiele: Eine Siedlung für Obdachlose wohnlich machen

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(Foto: privat)

Einen eigenen unternehmensweiten Volunteering Day veranstaltet jährlich Telefónica, ein internationales Telekommunikationsunternehmen, um so einen sozialen Beitrag zu leisten. Zuletzt packten einige Mitarbeiter des Unternehmens in der von der AWO München-Land betreuten Obdachloseneinrichtung in Höhenkirchen-Siegertsbrunn mit an. 52 Beschäftigte aus zwei Gesellschaften des Unternehmens verbrachten dort einen Vormittag, um die Wohnwagen-Siedlung für Obdachlose winterfest zu machen. Sie säuberten die Wohnwagen, schnitten Bäume und Hecken, befreiten das Gelände von Laub und Gras und reinigten stundenlang mehrere Gemeinschaftscontainer. Man wolle mit dem Volunteering Day Erfahrungen abseits des Arbeitsalltags, heißt es beim Unternehmen.

Das Moor im Gleißental pflegen

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(Foto: privat)

Seit acht Jahren laufen Mitarbeiter von Kaut-Bullinger mit Gummistiefeln schon durch das Gleißental im Landkreis München. Sie pflegen zusammen mit dem Bund Naturschutz (BN) das Moor. "Ich kann so einfach viel mehr Flächen bearbeiten", sagt Michael Schweimanns vom BN, der das Projekt leitet. Kaut-Bullinger hatte gezielt eine Aktion gesucht, die zur Unternehmensphilosophie passt und bei der die Firma sich längerfristig für die Umwelt engagieren kann. "Wenn schon, dann gscheid", sagt Geschäftsführer Bernhard Greinsberger. Viele Mitarbeiter hätten am Anfang gar keine Gummistiefel gehabt. "Mittlerweile haben schon über 100 Leute von uns im Deininger Moor gearbeitet." Projektleiter Schweimanns ist sich zudem sicher: "Die haben auch noch Spaß dabei."

Einen Brunnen in Kenia bauen

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(Foto: privat)

Einen internen Freiwilligentag, bei dem alle Mitarbeiter gemeinsam ein Haus streichen, gibt es bei BMW nicht. "Die Firma diktiert nicht", sagt Milena Pighi, die Leiterin für Soziales Engagement. Die einzelnen Abteilungen organisieren ihre Aktionen selbst, die Ideen kommen direkt von den Mitarbeitern. Vergangenes Jahr prämierte BMW unter dem Motto "We love what you do" unter anderem Markus Baumann aus Dingolfing mit seiner Initiative Hakuna Matata. Baumann selbst ist mit einer Kenianerin verheiratet, nach einer gemeinsamen Reise in ihr Heimatland beschlossen beide: "Wir müssen etwas tun." Der Verein fördert Bildung und Wasserversorgung in Kenia. Sie finanzieren Schulpatenschaften, haben einen Brunnen gebaut - und wollen eine Schule gründen, die Frauen zu Näherinnen ausbildet.

Deshalb bewarb er sich bei "Get involved". Mit dem Programm unterstützt sein Arbeitgeber gezielt, dass sich Mitarbeiter in ihrer Freizeit engagieren. "Ohne Ehrenamtliche würde vieles in diesem Land und in unserer Gesellschaft gar nicht funktionieren. Wir als Unternehmen möchten dieses Engagement fördern", sagt Julia Thiele-Schürhoff. Sie ist Vorsitzende des Vereins Knorr-Bremse Global Care, der seit 2004 rund 18 Millionen Euro für Hilfsprojekte an den Konzern-Standorten in Asien, Südamerika und Afrika zur Verfügung gestellt hat. Zu diesem globalen Engagement kommt nun bereits im dritten Jahr auch das lokale.

Tradition hat es bei dem Konzern aus Milbertshofen, dass für Aktionen in unmittelbarer Umgebung des Stammwerks schon mal Mitarbeiter in ihrer Arbeitszeit freigestellt werden. So strichen etwa Knorr-Angestellte die Wände des Ronald-Mc-onald's-Kinderhauses statt im Betrieb zu arbeiten. Bei "Get involved" können Mitarbeiter des Bremsen-Herstellers aber nun an ihren Standorten Projekte vorschlagen, für die sie sich in ihrer Freizeit einsetzen. Ziele des Engagements sollten bessere Bildung oder Gesundheit, Umweltschutz oder sozialer Zusammenhalt sein. Eine Jury um Julia Thiele-Schürhoff prüft die Idee des Mitarbeiters und bewilligt bis zu 3000 Euro.

Julia Thiele-Schürhoff prüft und koordiniert bei der Knorr-Bremse die Ideen der Mitarbeiter. (Foto: privat)

2017 finanzierte das Unternehmen in München 26 Projekte - vom Handball-Feriencamp bis zur besseren Ausrüstung für die Luftretter der Freiwilligen Feuerwehr. Auch am Standort Aldersbach in Niederbayern bewarben sich Mitarbeiter bei der Ehrenamtsinitiative, so dass die Knorr-Bremse allein in Deutschland insgesamt mehr als 103 000 Euro zur Verfügung stellte. "Wir unterstützen jeden, der sich über seinen Schreibtisch und seine Werkbank hinaus Gedanken macht, was er dazu beitragen kann, um die vielen globalen Probleme unserer Zeit zu lösen", sagt Julia Thiele-Schürhoff.

Global ist in diesem Zusammenhang wörtlich zu verstehen: Inzwischen gibt es "Get involved"-Projekte auch an den Standorten von Knorr und Tochterunternehmen in Ungarn und Österreich, in Großbritannien und Spanien, in den USA. Im Werk in Elyria im Bundesstaat Ohio arbeite etwa Paula Novak als Managerin für Systeme und Prozesse. In ihrer Freizeit kümmert sie sich darum, einen "Citizen's Ambulance Service" aufzubauen, der Laien darin schule, im Notfall medizinische Hilfe zu leisten. Auch das geschehe nun mit Geld aus dem "Get involved"-Projekt, erzählt Julia Thiele-Schürhoff. Mehr als 300 000 Euro weltweit wurden 2017 zur Verfügung gestellt - nicht als eine große Summe für ein medienwirksames Projekt, sondern in viele Mikro-Engagements. "Global agierende, zukunftsorientierte Unternehmen müssen sich den globalen Herausforderungen stellen, Gewinnorientierung allein reicht da nicht aus", sagt Thiele-Schürhoff.

Das soziale Engagement der Knorr-Bremse ist kein Einzelfall unter den Münchner Großunternehmen. Ob BMW oder Allianz, Munich Re oder Siemens - nahezu jeder größerer Betrieb investiere inzwischen auch in seine gesellschaftliche Verantwortung, weiß Ute Bujara. Sie leitet gemeinsam mit Elisabeth Volk die Initiative "Tatendrang", die sich um die Vermittlung von Ehrenamtlichen kümmert. Seit 2005 verzeichnet sie steigendes Interesse Münchner Firmen, ihre Mitarbeiter für soziale Projekte zu begeistern. Timberland habe dies als erstes Unternehmen in München eingeführt, "das war einfach ein Teil der amerikanischen Unternehmenskultur", so Bujara, "seitdem hat sich das stetig entwickelt".

Das Interesse, sich sozial und karitativ zu engagieren ist inzwischen so groß, dass das Sozialreferat der Stadt die Unternehmen beim Aufbau von entsprechenden Programmen berät, etwa mit Infos über Volunteer-Programme und rechtliche Rahmenbedingungen. Noch dieses Jahr wolle die Stadt gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer (IHK) eine Untersuchung zu Umfang und Art des sozialen Engagements Münchner Unternehmen in Auftrag geben, heißt es aus dem Sozialreferat. Und die Stadt lobt heuer einen eigenen Preis für besonders nachhaltige Projekte aus.

Ute Bujara begrüßt die neue Münchner Unternehmenskultur natürlich. Wichtig sei dabei aber stets, Initiativen nie ohne Rücksicht auf die eigentlichen Nutznießer der Hilfe zu starten. "Bei manchen Unternehmen muss man genau hinschauen, ob es nicht nur darum geht, das eigene Firmenimage aufzupolieren", sagt sie. Oftmals würden Projekte nur aus dem Blickwinkel des Unternehmens, nicht aus dem des Empfängers gesehen. Und manchmal sei finanzielles Engagement einfach nicht nachhaltig.

Deshalb begrüßt sie auch eine Konstruktion, wie sie die Knorr-Bremse bei ihrer Ehrenamtsinitiative gefunden habe: Mitarbeiter schlagen selbst Projekte vor und müssen deren dauerhaften Erfolg nachweisen. Julia Thiele-Schürhoff beschreibt das so: "Es geht nicht darum, durch soziales Engagement einen ökonomischen Mehrwert für das Unternehmen zu schaffen. Es geht darum, dass Mitarbeiter den Blick für die Gesellschaft, in der sie leben, nicht verlieren."

© SZ vom 20.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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