Sozialausschuss:Schlafplätze nur im Winter

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Das städtische Kälteschutzprogramm steht, anders als das allgemeine Sozialsystem, allen Bedürftigen offen. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Grünen scheitern mit einem Antrag, armen Familien künftig auch im Sommer ein Obdach zu organisieren

Von Dominik Hutter

Das städtische Kälteschutzprogramm wird ausgedehnt - allerdings nicht so weit, wie es die Grünen gerne hätten. Die Fraktion scheiterte am Donnerstag im Sozialausschuss mit dem Vorschlag, armen Familien künftig auch in der warmen Jahreszeit einen Schlafplatz zu organisieren. Es sei absurd, den Menschen zwar im Winter ein Obdach anzubieten, sie im Sommer aber nachts auf die Straße zu schicken, findet Grünen-Stadträtin Jutta Koller. Die Stadträte der anderen Parteien prophezeiten hingegen einen Dammbruch, wenn plötzlich jedermann ganzjährig Anspruch auf eine Unterbringung habe. Das gesamte System der Obdachlosenhilfe werde damit auf den Kopf gestellt, warnte CSU-Stadtrat Marian Offman. Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD) gab zu bedenken: "Man muss aufpassen, dass die Stimmung nicht kippt."

Hintergrund der langen und heftig geführten Debatte: Das städtische Kälteschutzprogramm steht, anders als das allgemeine Sozialsystem, allen Bedürftigen offen. Also auch perspektivlosen Zuwanderern aus Osteuropa, die keinen Anspruch auf deutsche Sozialleistungen haben. Wenn diese nun, sobald es wieder wärmer wird, im Anschluss an das Programm Anrecht auf einen Schlafplatz erhalten, würden sie willkürlich bevorzugt, erklärte SPD-Stadtrat Christian Müller. "Es gibt Grenzen der Unterbringung", auch wenn es bedauerlich sei. Man dürfe keine zusätzlichen Rechtsansprüche einführen. "Das können wir nicht schaffen", so Müller. Marian Offman befürchtet gar, ein solcher Schritt stelle das gesamte System der Wohnungslosenhilfe auf den Kopf. "Sie schaden der Sache mehr als Sie ihr nützen", warf der CSU-Politiker den Grünen vor. Die Akzeptanz des Kälteschutzprogramms, das Obdachlose im Winter vor dem Campieren im Freien bewahrt, dürfe nicht gefährdet werden.

Sozialreferentin Brigitte Meier (SPD) erinnerte daran, dass das Kälteschutzprogramm schon ohne den Vorschlag der Grünen stark ausgeweitet werde: von 800 auf 1200 Schlafplätze. Die Zahl der Nutzer sei innerhalb eines Jahres von 2400 auf 3200 angewachsen. Man müsse "zu Ende denken", ob man nun wirklich jenseits gesetzlicher Verpflichtungen auch im Sommer ein solches Angebot bieten wolle. Immerhin kämen im Regelsystem der Wohnungslosenhilfe künftig noch Tausende Flüchtlinge hinzu. Meier schätzt, dass von den rund 12 000 Münchner Asylbewerbern etwa ein Drittel anerkannt wird und dann Anspruch auf Sozialleistungen hat.

Der Sozialausschuss lehnte die Idee der Grünen schließlich mit breiter Mehrheit ab. Die Ausweitung des Kälteschutzes wurde hingegen beschlossen - gegen die Stimme von Alfa-Stadtrat Andre Wächter, der das Programm insgesamt für überdehnt hält. Die Stadt will nun für 1,8 Millionen Euro zusätzliche Plätze in der Bayernkaserne schaffen - betreut wie bisher vom Evangelischen Hilfswerk. Der Zuschuss steigt in diesem Jahr um 300 000 Euro auf 1,98 Millionen Euro, im Jahr 2016 liegt er bei fast drei Millionen Euro. Die Notunterkünfte sind für Alleinstehende nachts, für Familien mit Kindern oder Alleinerziehende durchgängig geöffnet. Falls das Angebot in der Bayernkaserne nicht ausreicht, steht als Reserve der Elisenbunker zur Verfügung.

© SZ vom 09.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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