Sieben Täter in Haft:Betrüger lauern am Bankomaten

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Großfamilie erbeutet 150 000 Euro mit Tricks beim Abheben von Geld

Die Betrüger waren ausreichend trainiert, sie konnten sogar von schräg hinten an der Körperbewegung erkennen, welche Geheimzahl ihre Opfer gerade am Bankomaten eingegeben hatten. Mindestens 150 000 Euro ergaunerten sie in München, Berlin und Hamburg, bis ihnen der Münchner Kriminalhauptkommissar Guntram Schmidt mit seinem Team auf die Finger klopfte. Von der verbrecherischen Großfamilie, die in Marseille und London residiert, sitzen nun sieben Akteure in Haft.

Seit Ende Dezember 2015 ist Schmidt den Gaunern auf den Fersen. Er erzählt von mindestens 30 Taten, die in München begangen wurden - und er schüttelt den Kopf, weil er es unglaublich findet, wie ältere Leute mit Raffinesse, Psychodruck und unter Ausnutzung der Hilfsbereitschaft um ihr Erspartes gebracht wurden. Unter den Opfern war ein ehemaliger Firmendirektor, der sagte: "Ich war froh, dass ich da lebend rauskam. Ich hab einfach alles gemacht, was die wollten."

Die Betrüger hatten mehrere Maschen auf Lager. Zum einen warteten sie in Bank-Foyers auf ältere Opfer. Sie stellten sich schräg hinter ihnen auf, wenn sie sahen, dass das Opfer besonders kurzsichtig war, rückten sie ihm näher auf die Pelle. Dann spähten sie die PIN-Nummer aus und sprachen den Kunden an. Der Bankomat sei kaputt, die Karte werde einbehalten, logen sie. Währenddessen rückten die groß gebauten Männer noch näher an die Opfer heran und drückten unbemerkt die Abbruch-Taste am Automaten. Sie zogen die Karte ab, stellten sich dreist ans Nachbar-Terminal und plünderten das Konto des Opfers, das noch ahnungslos am Automaten auf die Kartenrückgabe wartete. "Sie brachten auch Leute am Kontoauszugsdrucker dazu, an der Schreibmaschinen-Tastatur oben ihre PIN-Nummer einzugeben", erzählt Schmidt. Oder sie gaben sich als Touristen aus, die nicht wussten, wie der Bankomat funktioniert. Die Opfer sollten es vormachen - und wurden betrogen. Aufgrund der Videoüberwachung an den Terminals und mithilfe von Kollegen aus der EU konnte Schmidt péu a péu die Täter identifizieren, die komfortabel im Ausland lebten. Erst am Dienstag wurde der Haupttäter in Marseille verhaftet. Die Clan-Mutter selbst hatte den Fehler gemacht, ihre Söhne in Deutschland im Gefängnis zu besuchen. Guntram Schmidt nahm sie persönlich fest.

© SZ vom 03.09.2016 / wim - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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