Senioren-Wohnungen:Unbezahlbar für Rentner

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Christa Lippmann möchte ein Wohnprojekt für Seniorinnen verwirklichen. Den Raum dafür zu finden ist jedoch alles andere als einfach. (Foto: Robert Haas)

Ein Wohnprojekt für ältere Frauen mahnt städtische Hilfe an

Von Anna Hoben

Wohnen in München ist teuer, für viele ältere Menschen mit kleiner Rente ist es kaum bezahlbar. Seit 25 Jahren gibt es deshalb den Verein "Nachbarschaftlich Leben für Frauen im Alter". Denn vor allem ältere Stadtbewohnerinnen fallen im Konkurrenzkampf um bezahlbare Wohnungen hinten runter, sagt die Vereinsvorsitzende Christa Lippmann. Vier Projekte für 27 Bewohnerinnen hat sie mit ihren Mitstreiterinnen realisiert. Etwa ein Dutzend weitere Frauen würden ebenfalls gern in einer Hausgemeinschaft zusammen wohnen. Acht bis zehn Wohnungen benötigt der Verein dafür. Das Problem: "Wir werden zwar immer von allen Seiten gelobt, aber wir bekommen einfach keine neue Wohnungen", klagt Lippmann. Zuletzt hatte sich ein Projekt in Giesing zerschlagen.

Es werde immer schwieriger, Bauträger vom Nutzen eines solchen Projekts zu überzeugen, sagt die promovierte Wirtschaftspsychologin. Gegenüber alten Leuten gebe es viele Vorurteile, dabei seien sie angenehme Mieter. "Sie verschmieren keine Fahrstühle und feiern keine lauten Partys." Das Wohnen in der Gemeinschaft sorge außerdem dafür, dass sich niemand gehen lasse. "So eine Gruppe zivilisiert auch."

Jeweils acht Frauen haben über den Verein eine Wohnung in einem der drei Projekte in Pasing, Schwabing und Gern gefunden. Sie haben einen Wohnberechtigungsschein und zahlen dank München Modell eine verträgliche Miete. In Pasing fungiert die evangelische Landeskirche als Vermieterin, in Schwabing am Ackermannbogen handelt es sich um vermietete Wohnungen von privaten Eigentümern. Die Wohnungen in Gern gehören der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gewofag. Das vierte Projekt ist eine WG in der Fasanerie.

Wer über den Verein in eine Wohngruppe eintreten möchte, wird ein halbes Jahr vorher durch eine Psychologin auf die Herausforderungen des gemeinschaftlichen Wohnens vorbereitet. Nach dem Einzug gibt es weitere anderthalb Jahre ein Coaching. "Danach bleiben die Frauen dauerhaft dort wohnen, es gibt praktisch keine Fluktuation und deshalb auch keine Warteliste", berichtet Lippmann. Die Bewohnerinnen sind zwischen 56 und 80 Jahre alt. Auch die Älteren unter ihnen sind oft nach dem Renteneintritt noch berufstätig, weil ihre Rente nicht zum Leben reicht.

Neuen Interessentinnen kann Christa Lippmann zurzeit wenig Hoffnung auf eine Vermittlung in ein Wohnprojekt machen. Deshalb appelliert sie an die Stadt, bei der Vergabe von sozial geförderten Wohnungen Vereine wie ihren stärker zu berücksichtigen. Tatsächlich hat der Sozialausschuss des Stadtrates im vergangenen September beschlossen, alternative Wohnformen für ältere Menschen stärker zu fördern. Das Sozialreferat erarbeitet einen Handlungsrahmen für "zeitgemäße Wohnformen für alte Menschen in München", der dem Stadtrat aber erst im kommenden Jahr vorgestellt werden soll.

Zurzeit seien bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften GWG und Gewofag noch keine ähnlichen Projekte wie in Gern geplant, sagt Thorsten Vogel, Sprecher im Planungsreferat. Er verweist jedoch auf die Möglichkeit, sich einer Wohnungsbaugenossenschaft oder einer Baugemeinschaft anzuschließen. So etwas jedoch komme für ihre Klientel nicht in Frage, entgegnet Christa Lippmann. Sie hätten nicht das Geld dafür, Einlagen von mehreren Zehntausend Euro zu tätigen, wie es in Genossenschaften üblich ist.

Laut der Studie "Älter werden in München" hat die Hälfte der Befragten zwischen 55 und 74 Jahren ein niedriges (bis 1000 Euro) oder mittleres (bis 2000 Euro) Einkommen. "Alle unsere Frauen müssen mit wenig Geld zurechtkommen", sagt Lippmann. Ein Ein-Zimmer-Apartment für 530 Euro warm, wie es eine Bewohnerin über den Verein vermittelt bekam, sei gleichbedeutend mit einem Sechser im Lotto. Das letzte Projekt wurde vor zwei Jahren verwirklicht. Davor lagen jeweils zehn Jahre zwischen den einzelnen Projekten. Lippmann hofft, dass es dieses Mal schneller geht. "Es kann doch nicht sein, dass es wieder zehn Jahre dauert."

© SZ vom 07.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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