Schwesterstreit in der Union:Eine CSU auf dem AfD-Holzweg

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SZ-Lesern missfällt die Verrohung des Politikstils. Und sie fragen, wo eigentlich der Protest der christlichen Parteianhänger bleibt

"Mäßigt Euch" (7./8. Juli), "Wähler haben den Unionsstreit satt" (6. Juli) und weitere Berichte über den Dissens in der Union über die Flüchtlingspolitik:

Fundamentale Sprengkraft

Wenn CSU und CDU auseinander fallen, die zur Lega Süd entwickelte CSU aus der Regierung austritt und die Grünen an deren Stelle eine Koalition mit SPD und CDU bilden, ist das zwar ungewöhnlich, aber durchaus im politischen System möglich, und führt zunächst wohl auch im Rest Deutschlands ein bisschen zum Aufatmen. Was wird aber aus Bayern? Winfried Scharnagels Buch von 2012 "Bayern kann es auch allein. Plädoyer für einen eigenen Staat" wurde seinerzeit eher als Folklore denn als einigermaßen realistische Zukunftsvorstellung oder, besser gesagt, Zukunftsdrohung angesehen. Aber wie soll es nach den Wahlen in Bayern denn wirklich weitergehen? Die dann in Bayern kleinen Parteien Grüne, SPD und ein bayerischer Landesverband der CDU, die im Bund als Gegenmodell zur nach rechts gedrifteten CSU erscheinen, könnten kaum in Bayern mit der CSU koalieren. Bleibt eine CSU-AfD-Koalition in Bayern. Die aber ist so isoliert von dem, was sonst in der Bundesrepublik als legitim erscheint, dass sich schnell eine Sezessionsbewegung in Bayern entwickeln kann. So würde aus einer Regierungskrise eine fundamentale Infragestellung des föderalen Systems und damit der Existenz der Bundesrepublik Deutschland. Michael Rothschuh, Hamburg

Verrohung

Über die Spekulation, ob die Fraktionsgemeinschaft zerbricht, gehen stark die inhaltlichen Positionen von Herrn Söder und Co. unter: Angriff auf das Asylrecht (Artikel 16 Grundgesetz) zum Beispiel durch die Wortwahl "Asyltourismus", auf die Gewaltenteilung ("Abschiebe-Verhinderungsindustrie"). Es fehlen mir aus den beiden Parteien, aber auch vom Koalitionspartner die Stimmen, die für Grundwerte und Europa werben und nicht nur plump auf die AfD verweisen. Ein konservativer Rechtsruck zerstört die liberale und weltoffene Gesellschaft, die es zu bewahren gilt. Auch Frau Merkel verteidigt nur ihre Machtposition, nicht aber Humanität und Grundrechte. Auch sie wendet sich nicht gegen die Verrohung der Sprache und des Umgangs. Andreas Hubert, Freiburg

Macht statt Menschlichkeit

Meines Wissens, man möge mich korrigieren, haben die Parteien den verfassungsgemäßen Auftrag zur Willensbildung des Volkes beizutragen. Da steckt das Wort Bildung drin, das heißt, nicht dem Volk populistisch hinterherzulaufen, sondern zu informieren, um die Demokratie zu stärken. Hier müsste gesagt werden: "Liebes Volk, im Welthandel, von dem wir mit unserer einseitigen Exportorientierung mehr als gerecht profitieren, werden wir reich und die anderen arm. Unser Reichtum ist deren Armut. Wir können nicht vom freien Welthandel profitieren, ohne die negativen Folgen der von uns verursachten Ausbeutung der Welt auch zu spüren. Ohnehin kommt zu uns nur ein dünnes Rinnsal des großen Flüchtlingsstromes in der Welt. Aber wir Politikerinnen und Politiker lenken gerne das Thema auf die sogenannte Flüchtlingskrise, damit ihr nicht merkt, dass wir in unserem Land auch lieber nichts zum Beispiel gegen die Reichen und deren sagenhaften Reichtum, gegen die Wohnungsnot und den Pflegenotstand tun wollen."

In der gesamten Diskussion der letzten Wochen fiel nie das Wort Menschlichkeit, Verantwortung und Fürsorge oder Empathie für Menschen in Not. So tief sind Seehofer, Dobrindt und Söder gesunken: Das Land in die Krise zu treiben, die Menschlichkeit aufzugeben und die niedrigsten Instinkte von Menschen zu befördern.

Dass der zivilisatorische Firnis so dünn ist in unserem Land, das hätte ich nie gedacht. Cornelia Folger, München

Verräterisches Votum

Wer demnächst ins Kasperltheater gehen möchte, dem sei der Bayerische Landtag in München empfohlen. Dort stimmten die Parlamentarier mit der absoluten Stimmenmehrheit der CSU für ein Papier - Horst Seehofers sogenannten Masterplan für Migration -, das ihnen in 62 von 63 Punkten gar nicht bekannt war. Welche Farce! Doch ist damit zumindest eindeutig geklärt, dass es hier nicht um eine Sachfrage ging, sondern rein um die Macht. Als noch selbst denkender Bürger schüttelt man fassungslos den Kopf! Jürgen Karres, Landsberg

Platzreservierung

Beim Abhören der sonntäglichen 23-Uhr-Nachrichten des Deutschlandfunks mit dem Hinweis, die bayerische AfD habe immer noch nicht den Spitzenplatz für die Landtagswahl besetzt, drängte sich mir der verwegen erscheinende Gedanke auf: "Den halten die noch für Seehofer frei!" Wolfgang Heinz, Bad Krozingen

© SZ vom 11.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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