Schmuggel:Bittere Blätter

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Die Blätter des Kathstrauchs enthalten Wirkstoffe, die bei stundenlangem Kauen in den Kreislauf gelangen. (Foto: Reuters)

Über den Münchner Flughafen wird so viel Kat geschmuggelt wie noch nie

Von Thomas Daller

Das Zeug zu einer neuen In-Droge haben die länglichen Blätter eigentlich nicht. Kat schmeckt derart bitter, dass das Rauschgift so gut wie ausschließlich von Menschen aus den Ländern gekaut wird, wo der Kathstrauch wächst und angebaut wird. Im Jemen, in Somalia, Äthiopien und Kenia gilt Kat als Alltagsdroge. Und nun gelangt es offenbar in immer größeren Mengen auch nach München.

Der Schmuggel über den Flughafen habe "exorbitant" zugenommen, heißt es im Hauptzollamt. Bereits 2015 habe Kat mengenmäßig alle anderen Drogen überholt, 416 Kilogramm wurden über das Jahr beschlagnahmt; zum Vergleich: 2013 hatten die Fahnder gerade einmal 15 Kilogramm gefunden. Doch nun würden die Zahlen für 2017 alle Rekorde schlagen. Mehr darf der Zoll noch nicht sagen. Die genauen Zahlen gibt es erst, wenn das Bundesfinanzministerium, dem der Zoll unterstellt ist, im April seinen Jahresbericht veröffentlicht. Die Größenordnung lässt sich jedoch bei einem Blick in die Schweiz erahnen: Am Zürcher Flughafen waren 2016 noch 365 Kilogramm Kat beschlagnahmt worden, vergangenes Jahr waren es mehr als zwei Tonnen. Die Menge hat sich fast versechsfacht - innerhalb eines Jahres.

Die Blätter des Kathstrauchs enthalten aufputschende Stoffe, Cathin und weitere Substanzen, die beim oft stundenlangen Kauen über die Mundschleimhaut in den Kreislauf gelangen. Der Rededrang erhöht sich, allerdings kann der Konsum auch gravierende Folgen haben: zu Schlafstörungen führen oder Psychosen und kognitive Störungen verursachen. Kat hat dem Jemen außerdem die weltweit höchste Rate an Mund-, Speiseröhren- und Zungenkrebs beschert, wobei noch nicht restlos geklärt ist, ob daran die Wirkstoffe schuld sind oder die beim Anbau massenhaft verwendeten Pestizide.

Aus Sicht der Konsumenten, vor allem aber für die Dealer hat Kat einen gravierenden praktischen Nachteil: Die Blätter müssen innerhalb weniger Tage frisch konsumiert werden,denn bereits drei bis vier Tage nach dem Pflücken verlieren sie ihren berauschenden Effekt. Ein heimlicher Transport in Frachtcontainern zu Lande oder zur See würde zu lange dauern, den Schmugglern bleibt folglich nur der Luftweg.

Sie wickeln Bündel der frisch gepflückten Pflanze in feuchtes Küchenpapier oder in Blätter von Bananenstauden und pressen so viele wie möglich in Rollkoffer. Zwischen 35 und 45 Kilogramm passen in die einzelnen Gepäckstücke. Wenn sie in München ankommen, sind die Blätter oft schon erschlafft und müssen schnell an die Konsumenten verkauft werden. Noch weniger Wirkung - und damit auch weniger Wert - haben sie, wenn München nur die Drehscheibe für einen Weiterflug etwa nach Skandinavien ist. Auch dort hat sich, bedingt durch viele Flüchtlinge aus Ostafrika, ein Markt für die Droge gebildet. Was die Dealer verdienen, lässt sich auch für die Fahnder im Moment schwer sagen - als gesichert gilt jedoch, dass es nur ein Bruchteil dessen ist, was mit Cannabis oder Kokain erzielt wird.

Über die Hintermänner am Horn von Afrika ist nicht viel bekannt. Lokale Warlords sollen in den Anbaugebieten mitverdienen, und der Handel im Süden Somalias gilt als von den islamistischen Al-Shabaab-Milizen kontrolliert. Die Erlöse sollen eine Rolle bei der Finanzierung des Terrorismus spielen.

© SZ vom 24.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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