Richter genehmigen keine Ausnahme:Der heilige Sonntag

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Auch zum Stadtgründungsfest am 19. Juni dürfen die Geschäfte in der Münchner Innenstadt nicht öffnen. Viele Händler sind entsetzt, Verdi sieht sich bestätigt - und will nun auch im Umland gegen verkaufsoffene Sonntage vorgehen

Von N. Bovensiepen, F. Müller und E. Müller-Jentsch, München

Die Worte, die Wolfgang Fischer in diesem Fall wählt, sind drastisch. Er sei "entsetzt" über das Verbot des verkaufsoffenen Sonntags, es sei gar ein "Fehlurteil", das der Bayerische Verwaltungsgerichtshof gefällt habe, sagt der Geschäftsführer des Vereines City Partner. In dem Verbund haben sich die Unternehmen der Münchner Innenstadt zusammengeschlossen. Viele von ihnen hätten gerne am 19. Juni, an dem das Stadtgründungsfest gefeiert wird, ausnahmsweise an einem Sonntag ihre Geschäfte geöffnet. Doch daraus wird nach dem Urteilsspruch vom Mittwoch nichts. Und damit sei auf eine weitere Liberalisierung des Ladenschlusses vorerst nicht zu hoffen, kritisiert Fischer.

Ursprünglich wollte die Stadt München diese mit ihrer Ausnahmegenehmigung für den 19. Juni ein klein wenig vorantreiben. Dies hatten CSU und SPD im Stadtrat beschlossen. Doch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) erklärte die Verordnung der Stadt vom 27. Mai 2015, die innerhalb des Altstadtrings und im Hauptbahnhofbereich eine nachmittägliche Öffnung von Verkaufsstellen am Sonntag des Stadtgründungsfests erlaubt hätte, für unwirksam. Geklagt hatte die Gewerkschaft Verdi, die von einem "Angriff auf die letzte Nische des Ladenschlussgesetzes" gesprochen hatte. Tatsächlich sei die städtische Verordnung mit dem Ladenschlussgesetz unvereinbar, erklärten die Richter.

Verdi kündigte am Donnerstag prompt an, auch gegen die im Umland verbreiteten Sonntagsöffnungen verstärkt vorzugehen. Die Gewerkschaft argumentiert, Öffnungszeiten von 6 bis 20 Uhr an sechs Tagen müssten reichen. In anderen Bundesländern dürfen Geschäfte an sechs Tagen 24 Stunden lang öffnen - was aber nur die wenigsten ausschöpfen. Verdi kritisiert vor allem, dass an Sonntagen wie dem 19. Juni flächendeckend alles verkauft werden dürfe, so Verdi-Funktionär Georg Wäsler. Von der Ausnahmegenehmigung wären so viele Geschäfte erfasst, dass 4000 bis 5000 Beschäftigte betroffen wären. Verdi hatte dem Gericht zudem Zahlen vorgelegt, die zeigen sollen, dass die Einkaufsattraktivität der Münchner Innenstadt ohnehin bundesweit unerreicht sei.

Der 22. VGH-Senat verweist in seinem Urteil auf die neueste Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Ladenschlussgesetz und erklärt sinngemäß: Der Sonn- und Feiertagsschutz dürfe nur dann eingeschränkt werden, wenn für die Bevölkerung der Ausnahmeanlass viel wichtiger sei als eine Ladenöffnung wie an jedem beliebigen Werktag. Nach Meinung des VGH könnten also nur Veranstaltungen, die selbst einen beträchtlichen Besucherstrom anziehen, Anlass für die Gestattung einer Ladenöffnung an Sonn- oder Feiertagen geben. Die Stadt habe zwar Zahlen vorgelegt, die bestätigten, dass das Stadtgründungsfest auch ohne gleichzeitige Ladenöffnung viele Besucher anlocke und "aus sich heraus hinreichend attraktiv" sei. Die Stadt habe aber keine Prognose angestellt, wie viele Menschen dagegen an so einem Stadtgründungs-Sonntag in die City kommen, ausschließlich um einzukaufen. "Auf eine solche Prognose kann nicht verzichtet werden", so das Gericht. Es sei nämlich keineswegs klar, dass nicht doch die offenen Geschäfte letztlich den Charakter der Veranstaltung maßgeblich prägen.

Im Rathaus stößt diese Argumentation auf Unverständnis. Das Gericht habe "schon eine sehr kleinteilige Beurteilung" vorgenommen, moniert der Zweite Bürgermeister Josef Schmid (CSU). "Das verwundert." Die Händler in der Münchner City hätten weiter die Unterstützung des Rathauses beim Versuch, die Attraktivität der Innenstadt zu sichern. Dabei könne ein Einkaufssonntag helfen, sagt Schmid. Ohnehin sei die Stadt sehr zurückhaltend in dieser Frage. "Ich kann nur sagen: Es geht um einen Tag zum Stadtgründungsfest. Da muss man mal die Kirche im Dorf lassen."

Wolfgang Fischer von City Partner hält vor allem die zugrunde liegenden Zahlen von Verdi für fragwürdig. Um die These von der bundesweit unerreichten Attraktivität zu messen, sei ein Zeitfenster an einem Mai-Samstag gewählt worden, an dem wegen eines Fußball-Derbys zwischen dem FC Bayern München und Stuttgart die Innenstadt vermutlich so voll wie selten gewesen sei. Die Zahlen und die Schlussfolgerungen sind für ihn "kaum das Papier wert, auf dem sie stehen". Auch ohne diesen Fauxpas bleibe indes das Hauptproblem, die "Unfähigkeit der Politik", für eine moderne Regelung zur Ladenöffnung zu sorgen.

© SZ vom 27.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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