Kommentar:Eine Stadt, so bunt wie das OEZ

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Das Miteinander von Nationen und Kulturen ist in München nicht überall so weit gediehen wie im Stadtteil Moosach

Von Nina Bovensiepen

Das Olympia-Einkaufszentrum unterscheidet sich von anderen Konsumstätten Münchens. Es bildet einen Gegensatz etwa zur Maximilianstraße, in deren Geschäften häufig nur eine Handvoll Besucher verkehrt, weil alle anderen sich die Waren ohnehin nicht leisten können. Im OEZ ist es oft brechend voll, es ist multikultureller, ja auch trashiger, bunter und lauter als an vielen anderen Orten der Stadt. Das Miteinander von Nationen und Kulturen rund um das OEZ ist gelebter Alltag.

So vielfältig das Leben und die Sprachen hier sind, so wild gemischt lesen sich die Staatsangehörigkeiten der neun toten Opfer des Amokläufers David S.: ungarisch, deutsch-türkisch, deutsch, türkisch, kosovarisch, griechisch und staatenlos. Chousein, Janos, Armela, Can, Selcuk und Sabine heißen die Minderjährigen mit Vornamen, Dijamant, Giuliano und Sevda die Erwachsenen, multikulturell eben. Sieben der neun Opfer waren Muslime.

Der Amoklauf war insofern auch ein Anschlag auf das Herz einer von verschiedenen Kulturen und Nationen geprägten Stadt. Dies hat sich im Gedenken widergespiegelt. So fand vergangene Woche ein Totengebet statt, zu dem Imame und Moscheengemeinden aufgerufen hatten. Es nahmen Muslime wie Nicht-Muslime teil. Abgeschlossen wurde die Woche dann aber eben doch mit einem christlichen Gottesdienst, mit dem katholischen Erz- und dem protestantischen Landesbischof als Hauptzelebranten. Nicht nur Muslime beschlich daher im Vorfeld ein zwiespältiges Gefühl, ob da München nicht in alte Rituale zurückfalle: Eine religiöse Trauerfeier war bisher eben immer eine christliche.

Die Gestaltung der Feier hat dieses Ritual aber erweitert: Kardinal Reinhard Marx deutete den Dom und dessen Türme als überreligiöses Symbol für alle Münchner um, so interreligiös war die Gedenkstunde dann auch. Eine Vertreterin des Muslimrats München verlas ein eindringliches und eindrucksvolles Gebet, ebenso die Vertreter anderer Glaubensgemeinschaften. Vielleicht wäre ein gemeinsames religiöses Gedenken an einem neutralen Ort trotzdem besser gewesen, als Zeichen dafür, wie ernst es München mit dem interreligiösen Dialog ist. Denn zur Ökumene gehört für viele Menschen noch lange nicht der Islam dazu. Und München ist (noch) nicht überall so bunt wie am OEZ in Moosach. Es ist Zeit, dahin aufzubrechen.

© SZ vom 01.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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