Rathaus in München:Balkon betreten verboten

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Für den Oberbürgermeister gilt Balkonverbot im Rathaus - zumindest teilweise. Seit 2011 sind die Balkone gesperrt, weil die Brüstungen zu niedrig sind. Im Sommer behilft man sich deswegen mit einem Trick.

Von Thomas Anlauf, München

Wer in München einen Balkon besitzt, kann sich glücklich schätzen. Ein paar Quadratmeter Privatsphäre im Freien, möglichst mit Blick auf die schönen Seiten der Stadt. Solche Privilegien wusste schon Architekt Georg Hauberrisser zu schätzen und ließ seinerzeit am neugotischen Rathaus am Marienplatz zahlreiche Balkone bauen, damit die Stadtoberen auch mal frische Luft schnappen können, ohne gleich an die frische Luft gehen zu müssen.

Nun steht das Rathaus in seiner heutigen Form bereits seit 108 Jahren, und man weiß ja, seither hat sich ziemlich viel verändert. Zum Beispiel die Balkonbrüstungsverordnung. Die regelt, wie hoch eine Brüstung sein muss, damit niemand so leicht vom Balkon fällt. Baumeister Hauberrisser war bei aller Genialität natürlich kein Prophet und baute seinerzeit die Münchner Rathausbalkone nach damaligen Maßstäben.

Nur der FC Bayern durfte auf dem Rathausbalkon feiern

Bei einer routinemäßigen Untersuchung des Rathauses wurde gut einhundert Jahre nach Fertigstellung des meistfotografierten Gebäudes der Stadt festgestellt, dass "die Brüstungshöhen bei diversen Balkonen nicht den derzeit geltenden Normen und Vorschriften entsprechen". Aus Sicherheitsgründen ließ deshalb das zuständige Kommunalreferat sämtliche Rathausbalkone bis auf Weiteres sperren.

Einzig der FC Bayern durfte sich weiterhin auf dem Fußballerbalkon feiern. Selbst für den Oberbürgermeister gilt Balkonverbot im Hauberrisser-Zimmer. Dort klebt, in Klarsichthülle verpackt, der Klartext: Balkon betreten verboten. Der Erlass gilt seit 29. November 2011, seit dreieinhalb Jahren.

Behördenleiter waren zu gutgläubig

Nun, ein Oberbürgermeister muss Vertrauen in seine Verwaltung haben, sonst hätte er sie ja nicht im Griff. Und es heißt, dass sich einst Oberbürgermeister Christian Ude und nun auch sein Nachfolger an das strenge Verbot ihrer Behörde gehalten haben, zumindest hat keiner der beiden den Zettel im Zorn zerrissen. Doch wie es scheint, waren die obersten Behördenleiter zu gutgläubig.

Denn das Brüstungsproblem wurde längst unbürokratisch gelöst: mit Blumen am Balkon. So werden im Sommer einfach die Pflanztröge an den Balkonen den Brüstungen zugerechnet. Höhe erreicht, Vorschrift erfüllt. Im Winter gilt das Balkonverbot allerdings immer noch, denn dann wachsen vor dem Bürgermeisterfenster höchstens Eisblumen.

Ein Behördenleiter lädt trotzdem auf den Balkon ein

Nur dort, wo während des Christkindlmarkts Adventslieder auf einem der Rathausbalkone erklingen, hat das Baureferat eine zusätzliche Geländerstange angebracht. Ansonsten gilt zur Sommerzeit: "Die Zettel sind veraltet und entsprechen nicht mehr den heutigen Tatsachen", teilt das Baureferat mit.

Dem Oberbürgermeister hat man das offenbar nicht verraten, sonst hingen die Zettel wohl nicht mehr da. Einer seiner Behördenleiter schert sich dagegen offenbar nicht um solche fürsorglichen Verbote. Kulturreferent Hans-Georg Küppers lädt bei Preisverleihungen gerne auf einen der zu niedrigen Rathausbalkone ein. Ein Freigeist halt.

© SZ vom 17.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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