Prozess wegen Vergewaltigung:Angst und Schrecken auf dem Heimweg

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  • Er spähte seine Opfer im Nachtbus aus, verfolgte sie auf dem Heimweg und versuchte dann, sie zu vergewaltigen: Seit Montag steht ein Gaststudenten aus Brasilien vor Gericht.
  • Die Staatsanwaltschaft glaubt, dem 26-Jährigen zumindest drei der sechs angezeigten Taten nachweisen zu können.
  • Mit einem Bild aus der Überwachungskamera in einem Bus hatte die Polizei nach dem Täter gefahndet - als er festgenommen wurde, saß er tatsächlich wieder in einem Nachtbus.

Von Christian Rost

Der Mann machte als "Nachtbus-Vergewaltiger" Schlagzeilen und versetzte insbesondere Frauen in Großhadern in Angst und Schrecken. Im Mai und Juni 2014 meldeten sich sechs Frauen bei der Polizei, die teils mit Nachtlinien nach Hause gefahren und dann auf den letzten Metern zu Fuß dem Täter zum Opfer gefallen waren.

Anfang Juli fassten Zivilfahnder den mutmaßlichen Vergewaltiger - er saß tatsächlich in einem Nachtbus der Linien N 40 und 41, als er von den Beamten erkannt und festgenommen wurde. Seit diesem Montag muss sich der 26-jährige Rafael A. am Landgericht München I wegen Vergewaltigung und versuchter Vergewaltigung verantworten.

"Ich muss Halluzinationen gehabt haben"

Die Staatsanwaltschaft glaubt, dem Gaststudenten aus Brasilien zumindest drei der angezeigten Taten nachweisen zu können: Am 23. März 2014 wurde zunächst in Jena eine junge Frau in den frühen Morgenstunden überfallen. Wie A. nun vor Gericht einräumte, war er zu Besuch bei einem Studienkollegen in Thüringen und mit ihm am Vorabend der Tat auf Partys unterwegs.

Mindestens zehn Biere und zwei Wodkamischgetränke habe er getrunken und dann noch einen Joint geraucht, ehe er sich auf wackeligen Beinen auf die Suche nach seinem ihm abhanden gekommenen Kumpel gemacht habe. Auf der Straße habe er unvermittelt eine Frau ausgemacht, wobei er gedacht habe, er kenne sie von einer der Partys am Vorabend. "Ich habe sie umklammert", sagte A., "und dann weiß ich nicht, was in meinem Kopf passiert ist. Ich habe versucht, das zu kontrollieren, habe es aber nicht geschafft. Ich muss Halluzinationen gehabt haben."

Die Frau schrie, er solle sie in Ruhe lassen, sie habe Aids. Doch A. presste ihr eine Hand auf den Mund, riss ihr Leggins und Unterhose herunter und fasste ihr in den Schritt. Anschließend onanierte er vor ihr. Nach der Tat entfernte er sich in aller Seelenruhe zu Fuß und hob währenddessen wie zum Gruß einen Arm in Richtung des Opfers.

Kein endgültiger Rückzug

Einen Monat später hielt sich der Mann, der eigentlich in Frankfurt Ingenieurwesen studierte, in München auf. Auch hier betrank er sich angeblich am Abend des 25. Mai. Es war schon weit nach Mitternacht, als er in einem Nachtbus durch die Stadt fuhr. Offenbar hielt er nach einem Opfer Ausschau. Laut Anklage stieg er gegen 3.30 Uhr gemeinsam mit einer jungen Frau, die in einem Club war, an der Großhaderner Straße aus.

An der Ecke Guardinistraße/Stiftsbogen fiel er über sie her und riss sie zu Boden, um ihr zwischen die Beine zu greifen. Das Opfer aber versetzte ihm einen Tritt in den Schritt und schlug ihn damit in die Flucht. Endgültig trat A . jedoch nicht den Rückzug an - er setzte sich erneut in einen Nachtbus, um nur eine halbe Stunde später zwei jungen Frauen von der Haltestelle Klinikum Großhadern aus zu folgen.

Massive Gegenwehr

Völlig unbeeindruckt von der Tatsache, dass sie zu zweit unterwegs waren, stürzte sich der Student in der Heiglhofstraße auf eine der Disco-Besucherinnen und versuchte, sie zu Boden zu bringen. Er zerriss ihre Strumpfhose und fixierte sie mit seinem Körpergewicht, als die zweite junge Frau ihrer Freundin zu Hilfe kam. Gemeinsam schlugen und traten sie auf den Angreifer ein, der schlug zurück und zerrte an ihren Haaren. Der noch halb am Boden liegenden Frau trat er mehrmals in den Bauch - sie erlitt Abschürfungen und Prellungen. Wegen der massiven Gegenwehr flüchtete er schließlich. Vor Gerichte sagte er dazu, er habe die Frauen "nur erschrecken wollen".

Eine Überwachungskamera in einem Nachtbus hatte den Täter gefilmt, mit dem Bild fahndete die Polizei nach ihm. Außerdem wurde bei den Opfern aus der Heiglhofstraße DNA-Material vom Täter gesichert. Der genetische Fingerabdruck passte zu Spuren vom Tatort in Jena.

Rafael A. war im August 2013 als Gaststudent nach Frankfurt gekommen und fühlte sich "nicht wohl" in Deutschland, weil er sich mit der Sprache schwergetan hat, so der Angeklagte. In Frankfurt hatte er eine Freundin, mit der es laut vorläufigem psychiatrischen Gutachten sexuelle Probleme gab. Der Prozess dauert an.

© SZ vom 14.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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