Prozess in München:Abschleppdienst auf der Anklagebank

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Wie hoch darf die Auslöse für ein abgeschlepptes Auto sein? Ein Mitarbeiter der Parkräume KG steht wegen Nötigung vor Gericht, weil er einen Wagen vom Parkplatz eines Supermarkts entfernen ließ - und ihn nur gegen die Zahlung mehrerer Hundert Euro herausgeben wollte.

Von Christian Rost

Wie oft die Firma Parkräume KG schon wegen horrender Abschleppgebühren verklagt wurde, lässt sich nicht überblicken. Bis hinauf zum Bundesgerichtshof wehrten sich Autofahrer dagegen, dass sie 250 Euro und mehr als Auslöse für ihre Wagen bezahlen mussten. Vorige Woche setzte der BGH mit einer Grundsatzentscheidung Abschleppdiensten Grenzen: Die geforderten Beträge dürften nicht unangemessen hoch sein, entschied das oberste Gericht im Fall eines Münchner Autofahrers.

Das ist eine empfindliche Niederlage für die Berliner Parkräume KG, und nun steht dem Unternehmen auch noch ein Strafverfahren ins Haus. Weil ein Mitarbeiter der KG vor einem Münchner Supermarkt ein Auto abschleppen ließ und es offenbar nur gegen die Zahlung von 297,50 Euro herausgeben wollte, hat der Mann einen Strafbefehl wegen Nötigung erhalten. Dagegen wehrt er sich am Montag vor dem Amtsgericht.

Laut Staatsanwaltschaft veranlasste der 32-jährige Martin G. am 24. September 2013, dass ein Audi von einem Rewe-Parkplatz entfernt wurde. Das Auto hatte über Nacht dort gestanden. Der Halter vermisste es freilich am nächsten Morgen und rief bei der Hotline der Parkräume KG an. Martin G. nahm den Anruf entgegen und soll sich in dem Gespräch mit dem Münchner stur gezeigt haben. Wie es im Strafbefehl heißt, weigerte er sich zu sagen, wo sich der Audi befindet. Der Halter solle erst die fälligen Abschleppgebühren von 297,50 Euro auf ein Konto bei der Deutschen Bank überweisen, sein Auto bekomme er dann am nächsten Tag zurück, wenn das Geld auf dem Konto eingegangen sei.

Genötigt, bedroht, ein Übel zugefügt

Laut Staatsanwaltschaft befanden sich in dem Wagen nicht nur wichtige Arbeitsmaterialien des Halters, die er dringend benötigte. Auch das Blutzuckermessgerät seiner Freundin lag darin. Weil Diabetiker mehrmals täglich ihren Blutzuckerspiegel kontrollieren müssen, blieb der Frau nichts anderes übrig, als ein Krankenhaus aufzusuchen und die Messung dort vornehmen zu lassen. Martin G. war nach Ansicht der Staatsanwaltschaft stellvertretend für die Parkräume KG dafür verantwortlich, dass der Fahrzeughalter und seine Freundin Nachteile erlitten. G. habe die beiden genötigt, weil er ihnen konkludent gedroht und ihnen ein Übel zugefügt habe. Dass G. mit seiner Weigerung, den Standort des Autos zu nennen, die Bezahlung der Abschleppkosten durchsetzen wollte, stand laut Staatsanwaltschaft in keinem angemessenen Verhältnis zu den Folgen für den Halter. Das Verhalten G.s sei in erhöhtem Maße sozialwidrig gewesen.

Falls das Amtsgericht den Mitarbeiter der Parkräume AG verurteilen sollte, würde der Spielraum von Abschleppdiensten erneut spürbar eingeschränkt. Schon einmal entschied das Münchner Amtsgericht gegen die Firma und stellte in einem Zivilverfahren fest, dass ein privat veranlasster Abschleppvorgang maximal 120 Euro kosten dürfe. Dieses Urteil bestätigte im Grundsatz vorige Woche der BGH, der in seiner Entscheidung festhielt, dass das Abschleppen eines Autos nur soviel kosten dürfe, wie in der Region "üblicherweise" verlangt werde.

In München haben schon etliche Autofahrer unfreiwillig Bekanntschaft mit der Parkräume KG gemacht. Die Firma überwacht für Supermarktketten wie Rewe und Tengelmann Stellflächen, aber auch für viele andere Grundeigentümer. Angeblich hat die Firma Verträge für 3000 Objekte abgeschlossen. Ein Auftraggeber war bis vor kurzem auch das Klinikum Bogenhausen, das seine 13 Stellplätze an der Notaufnahme von der Firma freihalten ließ.

Die rigide Abschlepp-Praxis verursachte erheblichen Ärger bei Patienten und Besuchern, die kräftig zur Kasse gebeten wurden. In einem Fall traf es einen Mann, der in der Klinik seinen gehbehinderten Vater abholen wollte und deshalb möglichst nah am Gebäude geparkt hatte. Als die Männer aus dem Krankenhaus kamen, war das Auto weg. Die Rechnung: 297,50 Euro. Nach einigem Hin und Her hat die Klinik die Zusammenarbeit mit der Parkräume KG jetzt beendet. Ein CSU-Stadtrat hatte die Klinikleitung zuvor wegen der wilden Abschlepperei angezeigt.

© SZ vom 14.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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