Prozess:Brutal zusammengeschlagen - wegen eines Tanzes

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  • Weil er in einem Club mit einem Mädchen tanzte, wurde ein 23-Jähriger von deren Bruder brutal zusammengeschlagen.
  • Der 20-Jährige Michell M. muss sich nun wegen versuchten Mordes vor der Jugendkammer verantworten.
  • Laut den Verteidigern hat M. überreagiert, aber nicht die Absicht gehabt, den Mann zu töten. Den plagen seit dem Vorfall vor allem die psychischen Folgen.

Von Christian Rost

Als Cem T. ( Name geändert) im Krankenhaus wieder das Bewusstsein erlangte, konnte er die Augen nicht öffnen. "Ich dachte, ich bin blind", berichtet der 23-Jährige als Zeuge am Landgericht München I. Seine Augen waren derart zugeschwollen, dass er nichts mehr sehen konnte. Langsam erinnerte er sich daran, was geschehen war: Weil er in einem Club mit einem Mädchen getanzt hatte, war er von deren Bruder zusammengeschlagen worden. "Ich dachte, ich sterbe. Das war nicht menschlich, was der abgezogen hat", sagt T. und bricht in Tränen aus.

Am Dienstag hat der Prozess gegen den prügelnden Bruder begonnen. Der 20-jährige Michell M. muss sich vor der Jugendkammer wegen versuchten Mordes verantworten. Mit dem späteren Opfer und anderen Bekannten hatte er sich am 6. Juli vorigen Jahres in den frühen Morgenstunden im Crowns Club an der Rosenheimer Straße aufgehalten. Während die meisten Gäste ausgelassen waren, stand er am Rande und beobachtete mit einem wütend-aggressiven Gesichtsausdruck seine Schwester beim Tanzen mit wechselnden Partnern. Auch Cem T. war nach eigenen Angaben in "lockerer Stimmung". Für etwa zehn Minuten war er bei dem Mädchen an der Reihe. "Wie haben Sie denn getanzt?", fragt der Vorsitzende Richter Thomas Hense. T.: "Wie's üblich ist." Der Richter: "Wie ist es denn üblich?" Der Zeuge: "Wir haben uns aneinander gerieben. Aber es ist ja kein Verbrechen, wenn man miteinander tanzt."

Mit brutalem Übergriff vor Bekannten gebrüstet

Michell M. sah das offenbar anders. Laut Anklage lotste er T. vor die Tür. Er wolle eine Zigarette rauchen, gab M. vor. Gegen 4.30 Uhr befanden sie sich im Innenhof des Clubs, wo der Angeklagte dem Opfer sofort von hinten einen Schlag oder Tritt gegen den Kopf versetzt haben soll. Cem T. ging durch die Wucht des Schlages zu Boden, er rief noch um Hilfe. Der Angeklagte aber schlug und trat davon unbeeindruckt auf den Kopf und das Gesicht des Opfers ein. Dabei soll er sich auch mit drei stampfenden Fußtritten an T. abreagiert haben. Schließlich ließ er den bewusstlos geschlagenen 23-Jährigen im Innenhof liegen und ging zurück in den Club. Vor seinen Bekannten soll er sich mit dem brutalen Übergriff gebrüstet haben.

Den Schwerverletzen entdeckten Sicherheitskräfte des Clubs, die von der Tat nichts mitbekommen hatten, weil ihnen ein Transportfahrzeuge den Blick versperrte. Sie riefen einen Notarzt und fragten auch Michell M., was geschehen war. Der Angeklagte soll daraufhin geantwortet haben, T. sei "gestürzt". Er hatte ein Schädel-Hirn-Trauma zweiten Grades, Hirnblutungen sowie Platzwunden und Hämatome im gesamten Kopf- und Gesichtsbereich erlitten. Die Narben sind noch zu sehen. Vor allem leidet der junge Mann aber an den psychischen Folgen. "Ich bin fertig", sagt er, er traue sich nicht mehr in Menschenmengen und habe Angstzustände.

Die Verteidiger Sewarion Kirkitadse und Santosh Ernst Gupta erklärten, Michell M. sei von T. während eines Streitgesprächs geschubst worden und dann ausgerastet. Er habe zwei oder drei Mal mit der Faust zugeschlagen, aber nicht getreten. Der Angeklagte habe überreagiert, aber nicht die Absicht gehabt, T. zu töten. Laut den Verteidigern hat M. im Gegensatz zur Behauptung der Staatsanwaltschaft auch keine langjährige Kampfsporterfahrung. Taekwondo habe er schon vor Jahren aufgegeben, so Kirkitadse. Nach den Angaben eines Polizisten wurden in M.s Zimmer in dessen Elternhaus aber ein Schwarzer Gürtel für Taekwondo-Kämpfer sowie mehrere Medaillen von Wettbewerben gefunden. Der Prozess dauert an.

© SZ vom 15.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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